Die Sklavin mit den Mandelaugen
einen Grund, hierherzukommen. Oder
waren Sie einfach müde und sehnten sich nach einem Bett ?«
»Oh!« Sie preßte die Hand auf
den Mund. »Wie kann man nur so vergeßlich sein. Scheußlich. Der Gedanke stammt
nämlich von Mr. Corlis .«
»Corlis?«
»Er rief mich heute abend gegen halb neun in meiner Wohnung an. Es war alles
schrecklich geheimnisvoll. Er behauptete, es ginge um Leben und Tod und bat
mich, diesen Mr. Boyd, mit dem ich meine Mittagspause heute verbracht hätte,
anzurufen oder aufzusuchen und ihm auf der Stelle eine Nachricht zu übermitteln .«
»Und wie lautet die Nachricht ?« fragte ich.
Kitty schloß einen Moment die
Augen, um nachzudenken.
»Ich muß es ganz richtig
wiederholen, weil es mir sowieso reichlich sinnlos erscheint. Also, Mr. Corlis sagte folgendes: >Teilen Sie Ihrem Mr. Boyd mit,
daß es vom Strand aus durchführbar ist, wenn man auf Fußangeln in der Nähe des
Gipfels achtet .< Für mich klingt das wie die Pointe
einer reichlich zweifelhaften Geschichte. Können Sie wenigstens etwas damit
anfangen ?«
»Ja«, erwiderte ich und nickte.
»Sonst noch etwas?«
»Ja, Moment mal .« Sie schloß wieder die Augen und konzentrierte sich. »Es
klang ungefähr so: >Vielleicht kann ich mich um die Hunde kümmern, während
er eine Stelle findet, wo er seinen Mantel aufhängen kann .< Können Sie sich da einen Reim drauf machen, Danny?«
»Ja, der erste Teil über die
Hunde klingt einleuchtend«, murmelte ich. »Aber der Rest, >während er eine
Stelle findet, wo er seinen Mantel aufhängen kann<... Was, zum Teufel, soll
das heißen ?«
»Mich brauchen Sie nicht zu
fragen. Nachdem Mr. Corlis das gesagt hatte, lachte er ein bißchen und
behauptete, Sie würden schon dahinterkommen, wenn Sie nur halb so klug wären,
wie er meint .«
»Besten Dank, Mr. Corlis«,
brummte ich.
Sie schwang ihre langen Beine
vom Bett und ging zum Spiegel. Ich hörte einen plötzlichen Schrei der
Verzweiflung.
»Danny Boyd, marsch, raus
hier«, befahl sie in jammervollem Ton. »Ich sehe aus wie Frankensteins Tochter
nach vierzigjähriger ununterbrochener Ruhe in einem kühlen Grab .«
»Soll ich uns inzwischen etwas
zu trinken machen ?« erkundigte ich mich.
»Das ist mir gleich. Wenn Sie
sich nur mit irgend etwas beschäftigen, das Sie von diesem Zimmer fernhält .«
Ich startete im Dauerlauf zum
Wohnzimmer, da ich überzeugt war, daß Kitty mich möglichst schnell loshaben
wollte. Doch einen Moment später stürzte ich krachend zu Boden, als mein Fuß
gegen einen schweren Gegenstand stieß, der meines Wissens an dieser Stelle gar
nichts zu suchen hatte.
»Plumpes Ungeheuer«, ließ sich
Kittys spöttische Stimme vernehmen.
Langsam rappelte ich mich
wieder hoch.
»Sehe ich anders aus ?« fragte ich mit zitternder Stimme, in der Angst, mir bei
dem Sturz alle Knochen gebrochen zu haben.
»Nein, leider nicht«,
entgegnete sie schnippisch.
»Ich hab’ das Ding da unten
nicht gesehen«, erklärte ich und warf einen Blick hinunter. »Was, um alles in der
Welt, ist denn das für ein Unikum ?«
»Oh, das?« Kittys Stimme klang
leicht nervös. »Das ist meine Handtasche .«
»Handtasche ?« wiederholte ich mit überschnappender Stimme. »Sieht eher aus wie ein
Schiffskoffer. Hat der Portier das Ding vielleicht gleichzeitig mit Ihnen
heraufgetragen ?«
»Ich habe große Handtaschen
gern«, murmelte sie undeutlich. »Heutzutage muß eine Frau so viele Sachen mit
sich herumtragen. Da braucht man eine große Tasche .«
»Aber ja«, sagte ich. »Es wäre
doch zu peinlich, wenn man als Frau auf einer einsamen Insel, wie
beispielsweise dem Times Square, gestrandet ist und zweimal hintereinander
dasselbe Kleid tragen müßte .«
»Alles ist heutzutage groß«,
murmelte Kitty störrisch. »Ich habe immer Herrentaschentücher benützt, ich
rauche King-Size-Zigaretten und — Himmel und Hölle, Danny Boyd, wollen Sie sich
wohl endlich hier rausscheren.«
Im Wohnzimmer startete ich als
erstes eine kleine Inspektion. Ich zog den Vorhang etwas weiter zu, knipste
eine völlig überflüssige Lampe aus, kurz, ich gestaltete die Atmosphäre des
Raumes gemütlich und intim, wenn man auch nicht besonders gut sehen konnte,
weil es so dämmrig war. Dann mixte ich einen Krug voll Brandy Alexanders und
stellte ihn zusammen mit Gläsern auf den Couchtisch. Als alle Vorbereitungen getroffen
waren, setzte ich mich und wartete voller Vorfreude.
Vielleicht zwanzig Minuten
später hörte ich das Schnappen der Klinke, als sich die
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