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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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die Tür und ging zu dem Fenster hinüber, unter dem sie saß. Sein Porträt war in den frei vor ihr stehenden Rahmen gespannt, und wurde von zwei Lichtkugeln beleuchtet. Als sie ihn auch dann noch nicht ansah, als er sich neben sie setzte, beschlich ihn der Verdacht, das, was immer sie bedrückte – und er hatte keine Ahnung, was das sein könnte -, habe mit ihm zu tun.
    »Willst du mir nicht sagen, was dir auf der Seele liegt?«
    Ihre Unterlippe zitterte jetzt. Seine liebevolle Besorgnis war mehr, als sie ertragen konnte. Tränen brannten in ihren Augen. »Ich … ich habe Angst.«
    »Vor den Männern von dem Schiff oder vor etwas anderem?« Saber konnte nur hoffen, dass sich ihre Furcht nicht auf ihn bezog.
    »Vor etwas anderem«, murmelte sie mit gesenktem Blick. Sie brachte es noch nicht einmal über sich, seinem gestickten Porträt in die Augen zu sehen.
    Er musste ihr die nächste Frage stellen. »Vor mir?«
    »Ja … nein … ich weiß es nicht.« Sie zog die Unterlippe wieder zwischen die Zähne.
    Ihre Worte trafen ihn wie glühende Pfeile. Saber sog zischend die Luft ein. »Was soll ich tun, damit du keine Angst mehr vor mir hast?«
    Sie schüttelte den Kopf. »So habe ich es nicht gemeint. Ich habe Angst, dass du mich nicht … nicht wirklich liebst.«
    Saber zwinkerte verdutzt, dann legte er eine Hand an ihre Wange und drehte ihr Gesicht zu sich, obwohl sie ihn noch immer nicht ansah. »Dass ich dich nicht liebe? Wie kannst du so etwas denken? Du bist meine wahre Liebe, mein Schicksal …«
    Jetzt hob sie den Kopf. »Morganen hat es selbst gesagt – ich bin eine von fünfen! Wie kannst du mich als deine wahre Liebe bezeichnen, wenn es jede von uns hätte sein können?« Ein gequälter Ausdruck trat in ihre Augen. »Woher sollen wir wissen, dass er diesen Sprachzaubertrank nicht mit noch einem anderen Mittel versetzt hat? Einem, das dir vorgaukelt, du würdest mich lieben.«
    Irgendetwas an der Art, wie sie ihre Worte wählte, nagte an ihm – vor allem in Verbindung mit anderen Dingen, die sie gesagt beziehungsweise nicht gesagt hatte. Saber starrte sie an. »Also liebst du mich nicht.«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Die Regeln und Gesetze dieser Welt sind so seltsam, so ganz anders als die meiner eigenen.«
    Er erhob sich und begann im Raum auf und ab zu gehen. Sie liebt mich nicht. Ich liebe sie, aber sie mich nicht … Wie kann das sein? Er dachte darüber nach, während sie regungslos auf ihrer Bank sitzen blieb. Saber drehte sich zu ihr um. »Das ist nicht möglich, Kelly. Einige Formen von Liebe können nachgeahmt oder durch einen Zauber erzwungen werden – wahre Liebe aber niemals.
    Ich habe deinen Fuß im Sonnenlicht gesehen, bin daraufhin zum Fenster gegangen und habe das Schiff entdeckt«, erinnerte er sie, trat wieder zu ihr, schob den Stickrahmen zur Seite, kniete vor ihr nieder und nahm ihre Hände zwischen die seinen. Sie fühlten sich kalt an, also rieb er sie leicht, um sie zu wärmen. »Die Seherin Draganna prophezeite, dass das Unheil meiner wahren Liebe auf dem Fuß folgen würde, und wenn nur ich dich lieben würde, könnte von wahrer Liebe keine Rede sein. Wahre
Liebe beruht immer auf Gegenseitigkeit. Also liebst du mich, Kelly.«
    Sie versuchte ihm ihre Hände zu entziehen. »Aber ich habe dich zu Anfang so schlecht behandelt!«
    Er lächelte, gab ihre Hände aber nicht frei. »Das beweist doch, dass es kein Zaubertrank war, sonst hätten wir uns gleich auf den ersten Blick ineinander verliebt, richtig?«
    Sie hob den Kopf und sah ihn an. Die Zweifel ließen sich nicht zerstreuen, obgleich seine letzte Feststellung durchaus logisch klang. Saber erhob sich, legte einen Arm um ihren Oberkörper und schob den anderen unter ihre Knie.
    »Ich werde dir beweisen, dass es wirklich wahre Liebe ist«, murmelte er, als er sie zum Bett trug. Die Blumengirlanden, die sich um die Pfosten wanden, erinnerten ihn daran, dass sie noch immer frisch verheiratet waren. Er ließ sie auf das Bett sinken, kniete sich daneben und griff nach ihrem Fuß, während sie sich auf einen Arm stützte. Dann streifte er ihren Schuh ab und küsste den Fuß, der an einem Morgen, der erst Stunden und ein halbes Leben zurücklag, das ihnen geweissagte Unheil nach sich gezogen hatte. »In den letzten Wochen habe ich vieles herausgefunden. Bevor ich dich kennengelernt habe, habe ich nicht gelebt. Bevor ich dich geküsst habe, habe ich nicht geatmet. Bevor ich deinen Namen kannte, konnte ich

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