Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
zugeben müssen, dass sie sich perfekt für ihre Zwecke eignete.
Die Kämme, mit denen sie in ihrem Haar befestigt waren, juckten allerdings unerträglich.
Der neben ihr sitzende Saber trug seinen silbernen Stirnreif und seine Hochzeitsgewänder und hielt ihre Hand in der seinen. Er bedachte die Besucher gleichfalls mit einem kühlen Nicken und hob seine freie Hand. »Lord Aragol, Ihr und Eure Söhne dürft jetzt vortreten.«
Dominor trat zur Seite und bedeutete den drei Männern,
sich dem Thron zu nähern, während er mit den Seeleuten zurückblieb. Die sechs schlichter gekleideten Männer beäugten die sich farblich verändernden Banner und die Männer und Frauen ringsum in ihren bunten, geschmackvollen Kleidern und verharrten respektvoll, wo sie waren. Die drei Truhen und die Rucksäcke standen zu ihren Füßen. Lord Aragol und seine Söhne schritten auf das Podest zu, blieben kurz davor stehen und schwenkten ihre Hüte.
»Eure Hoheit, Eure Majestät …«, murmelten sie wie aus einem Mund.
»Lord Aragol, junge Sirs«, erwiderte Kelly mit einem leichten Kopfnicken.
»Meine Herren«, fügte Saber höflich hinzu.
Lord Aragol richtete sich auf und reichte seinem jüngsten Sohn seinen Hut, der auch den seines Bruders entgegennahm und zusammen mit seinem eigenen in einer Hand hielt. Der Blick des Lords schweifte über die in der Halle versammelten Höflinge hinweg und blieb an dem Paar auf dem Thron hängen. »Wir sind von Eurem Hof sehr beeindruckt, Hoheit …Majestät. Und von der Macht Eurer Magie, die es Euch ermöglicht, diesen Palast in den Bergen und eine ganze Stadt an der Küste vollständig vor uns zu verbergen, obgleich ich nicht zu verstehen vermag, warum Ihr sie auf diese Weise verschwendet.«
»Wir betrachten das nicht als Verschwendung«, konterte Kelly sofort. »Wir haben gute Gründe dafür, uns vor Fremden zu verbergen. Wir sind eine sehr alte Kultur«, behauptete sie ungeachtet der Tatsache, dass »alt« in diesem Fall einen Tag bedeutete. »Dieser Donjon steht bereits seit über zweitausend Jahren, und wir respektieren eine so lange Geschichte und die daraus entstehenden vielfältigen Traditionen. Wir haben uns weiterentwickelt, ohne Kriege gegen andere Völker zu führen, aber es ist uns durchaus klar, dass andere Nationen in diesem Punkt anders denken und handeln. Es ist für uns oft leichter, einfach vorzugeben,
nicht vorhanden zu sein, wenn sich Fremde unserer Insel nähern, als uns in Auseinandersetzungen verwickeln zu lassen, die zu unnötigem Blutvergießen führen würden. Es ist im Übrigen äußerst mühsam, die Flecken aus den Teppichen zu entfernen, wie Ihr Euch vielleicht denken könnt.«
Saber hatte Mühe, angesichts dieser in gelangweiltem Tonfall vorgetragenen letzten Bemerkung eine unbeteiligte Miene zu wahren. Sowie sie ihre kleine Rede beendet hatte, ergriff er das Wort. »Erzählt uns etwas über Euer Land, Lord Aragol. Ihr bezeichnet es als ›unabhängiges‹ Königreich Mandare. Darf ich fragen, warum?«
Der Mann straffte sich stolz. »Wir haben viele unserer Kameraden im Königreich Natallia aus dem Joch der Unterdrückung befreit. In Mandare ist kein Mann einer Frau untertan.« Sein Blick wanderte flüchtig zu Kelly. »Und keiner Frau ist es in Mandare gestattet, ihre Magie auszuüben. Wie auch immer es anderswo gehalten werden mag – bei uns sind immer noch die Männer die rechtmäßigen Herrscher.«
Saber sah ihn an, dann Kelly, dann wieder den Grafen, hob dann die Brauen, ohne sich die Mühe zu machen, ein spöttisches Zucken der Mundwinkel zu unterdrücken. »Ihr glaubt, meine Frau verfügt über magische Kräfte?«
»Euer ganzes Reich ist von Magie erfüllt. Und offensichtlich rührt sie von Euren Frauen her, die Hexenkünste praktizieren«, gab Lord Aragol zurück.
Das klingt widerwärtig vertraut, dachte Kelly. Und ich habe mir eingebildet, dieser Art von Vorurteilen entronnen zu sein. »Ihr haltet mich für eine Hexe?«
»Ihr seid eine Frau und trotzdem Königin«, gab Aragol zurück. »Da liegt der Schluss nah, dass Ihr Euch Eurer Magie bedient, um Euren Platz auf dem Thron zu sichern.«
»Dann lasst mich Euch davon in Kenntnis setzen, dass ich auf diesem Thron gewählt worden bin«, erwiderte Kelly
brüsk. »Und zwar von den Bewohnern Nightfalls, die Vertrauen in meine Intelligenz und meine Fähigkeit haben, ihre Geschicke besser als sonst jemand auf der Insel zu lenken. Ich herrsche aus freiem Willen des Volkes, das ist die größte Macht, die
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