Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Weise gedemütigt werden. Und deshalb werden wir die Zustände der alten Zeit wieder herstellen, als wir noch das Sagen hatten …«
»Ihr meint die Zeit, zu der es Frauen verboten war, Lesen und Schreiben zu lernen?«, unterbrach Kelly. »Oder Land zu besitzen oder sich ihren Mann selbst zu wählen? Eine Zeit, zu der sie ungeachtet ihrer Gefühle und Wünsche an den Bewerber verkauft wurden, der den höchsten Brautpreis bot – eine beschönigende Umschreibung für Sklaverei? Damals wurden Frauen von Männern erniedrigt, in deren Augen sie weniger wert waren als Schafe, denn Schafe können Lämmer und Wolle produzieren, eine Frau jedoch nur Kinder. Damals gab es für eine Frau nur zwei Wege: sich unter einen Ehemann zu legen, sich zum Lustobjekt degradieren zu lassen, zu einem Ding , das das Haus putzt und Söhne großzieht – oder ihr Leben dadurch
zu fristen, dass sie sich unter Fremde legt und sich von ihnen für Geld vö …«
Saber legte ihr hastig eine Hand auf den Mund. »Bitte verzeiht meiner Frau. Ihr Temperament geht manchmal mit ihr durch, zum Glück nur dann, wenn sie durch Zurschaustellung maßloser Dummheit dazu herausgefordert wird, was bei uns selten geschieht.«
Kelly schob seine Hand weg. Sie war noch nicht fertig, nahm sich aber zusammen, um nicht noch heftiger zu werden. »Es ist eine Tatsache, Lord Aragol, dass Männer zwar körperlich stärker sind als Frauen, Frauen dafür jedoch klüger. Und ein scharfer Verstand wird letztendlich immer den Sieg über Muskeln, Magie und Technologie davontragen. Wenn Ihr also einer Frau ebenbürtig sein wollt, öffnet Eure Faust und benutzt sie, um zu einem Buch zu greifen statt zu einer Waffe.
Eure Vorfahren haben wahrscheinlich ihre größere Körperkraft benutzt, um sich ihre Frauen zu unterwerfen, bis die Götter Eures Landes es diesen Frauen ermöglicht haben, sich dank ihres Verstandes gegen Euch zur Wehr zu setzen. Und genau da liegt Euer Problem.« Sie hatte Mühe, halbwegs höflich zu bleiben. »Eure Einstellung Frauen gegenüber hat sie dazu gebracht, sich zu wehren und zurückzuschlagen. Gewalt löst Gegengewalt aus, Mylord. Überheblichkeit wird mit Überheblichkeit beantwortet. Schmerz und Demütigungen führen zu Rachegedanken. Ihr habt dieses Rad in Bewegung gesetzt, also müsst Ihr es auch wieder anhalten. Und wenn Ihr diesen Teufelskreis nicht in Euren Köpfen beenden könnt, könnt Ihr es auch nicht im wirklichen Leben. Ihr könnt nicht gewinnen. Das ist geschichtlich erwiesen, und hoffentlich seid Ihr klug genug, diese Lektion zu lernen.
Bis es soweit ist, schlage ich vor, Ihr kehrt auf Euer Schiff zurück und begebt Euch wieder in Euer ›Unabhängiges Königreich‹, denn so lange seid Ihr an Euren blinden
Hass gekettet wie an unsichtbare Handschellen«, schloss Kelly. »Wahre Unabhängigkeit sieht anders aus.«
Aragol wich vor ihrem anklagend ausgestreckten Finger zurück. Seine Miene hatte sich angesichts ihrer Strafpredigt zusehends verfinstert.
Saber verstärkte den Griff um ihre Schultern, unter dem sich Kelly straffte. Er wandte sich jetzt an die Besucher; übernahm sozusagen die Rolle des gutmütigen Hausdieners und Leibwächters. »Ich glaube, Ihr solltet in Eure Heimat zurücksegeln, Lord Aragol. Und denkt über das, was heute gesagt wurde, und die darin enthaltene Logik gründlich nach. Wenn Ihr Eure Ansichten geändert habt, seid Ihr uns jederzeit hier willkommen.
Aber bis dahin will Nightfall nichts mit Euch, unserem verkörperten Unheil, zu tun haben. Und blickt auch nicht nach Katan, bevor Ihr nicht gelernt habt, Euch wie zivilisierte Menschen zu benehmen. Ich fürchte, dort würde man weitaus weniger höflich mit Euch umspringen, als hier bei uns.«
»Ihr werdet uns nicht allzu bald wiedersehen, denn das, was wir momentan erblicken, wenn wir Euch anschauen, missfällt uns zutiefst.« Mit Abscheu gepaarte Verachtung schwang in Kellys Stimme mit. »Schatzkanzler, sorgt dafür, dass diese drei Männer nach Whitetide zurückgebracht werden – vor Einbruch der Dämmerung, damit sie nicht der Zorn des Herrn der Nacht trifft, dem ihre Worte und Ansichten noch weniger gefallen dürften als uns. Und das Blut hirnloser Narren ist sein Lieblingsgetränk, wie wir alle wissen. Es wäre zu gefährlich, Lord Aragol und seinen Söhnen zu erlauben, die Nacht auf der Insel zu verbringen.«
»Wie Ihr befehlt, Majestät.«
» Bekh! « Kelly schwenkte gebieterisch eine Hand, woraufhin der hinter ihr stehende Saber sie beide mit
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