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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Kelly. »Es wird dunkel hier draußen, falls ihr es noch nicht gemerkt habt.«
    »Ich hole ihr eine«, erbot sich der Kastanienbraune und eilte auf den nächstgelegenen Burgflügel zu. Die anderen verteilten sich rings um das massive, von Kletterpflanzen überwucherte Steingebäude, aus dem sie gekommen waren. Innerhalb weniger Momente war Kelly allein und fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut. Über ihr schimmerte der fahle Mond, spendete jedoch nicht genug Licht, um ihr Unbehagen zu lindern. Sie befand sich
an einem fremden, seltsamen Ort, der von fremden, seltsamen Kreaturen bevölkert war, und nun war sie auch noch ganz allein auf sich gestellt.
    Der Mann mit dem kastanienbraunen Haar kam ein paar Minuten später zurück, als sie mit zusammengekniffenen Augen den Boden nach weiteren dieser spinnenartigen Geschöpfe mit dem unaussprechlichen Namen absuchte.
    »Hier.« Er schnippte mit den Fingern und drückte ihr eine undurchsichtige weiße Kugel in die Hand. Sie war etwas kleiner als ein Volleyball und sah aus wie die, die sie in dem Raum gesehen hatte, in dem sie wieder zu sich gekommen war, doch diese hier war dunkel statt hell, und Kelly konnte auch keine Knöpfe oder Schalter oder sonst etwas entdecken, womit sie sich einschalten ließ.
    »Hey! Wie funktioniert das Ding?«, fragte sie rasch, als er ein zweites Mal mit den Fingern schnippte und sich dann abwandte. »Und was hat das Fingerschnippen zu bedeuten?«
    »Damit habe ich die Kugel aktiviert. Du musst jetzt nur dagegenklopfen. Ganz leicht für schwaches Licht, etwas fester für helleres und doppelt so fest und schnell, um sie auszuschalten – keine Angst, sie zerbricht nicht, es sei denn, du wirfst sie vom höchsten Turm der Burg herunter … aber ich vermute, sie würde auch das aushalten. Ich habe sie selbst angefertigt, und ich leiste gute Arbeit auf diesem Gebiet«, fügte der Rotschopf mit einem Anflug von Stolz und einem Grinsen hinzu, ehe er sich zum Gehen wandte.
    »Alles klar. Danke«, rief sie ihm nach, doch er hatte sich schon umgedreht und lief mit weit ausgreifenden, federnden Schritten über den jetzt verlassen daliegenden Hof.
    Kelly hielt den weißen Ball einen Moment lang unschlüssig in der Hand, dann klopfte sie mit dem Fingerknöchel behutsam dagegen. Die Kugel begann schwach zu glühen wie eine mattierte Glühbirne, nur dass sie weder von
Strom noch von einer Batterie gespeist wurde. Die Oberfläche war glatt und fühlte sich wie Glas an, aber die Kugel war leichter; fast so, als bestünde sie aus Plastik statt aus Glas, lag jedoch gut in der Hand. Ein brauchbares Wurfgeschoss, dachte sie. Neue Zuversicht stieg in ihr auf.
    Nicht dass sie beabsichtigte, ihre einzige Lichtquelle fortzuwerfen, das würde bedeuten, dass sie den Kreidekreis verlassen musste, um sie zurückzuholen. Da sie allein war und sich bislang nichts Ungewöhnliches ereignete, experimentierte sie mit der Kugel herum. Nach einigen Versuchen stellte sie fest, dass es acht Lichtstufen gab: von nachtlichtmatt bis hin zu grellweiß. Letzteres erzielte sie, indem sie mit voller Wucht mit der Faust auf die Kugel einhieb und sie dabei fast fallen gelassen hätte.
    Nachdem sie zweimal dagegengeklopft hatte, fand sie sich plötzlich im Dunkeln wieder. Helle Flecken tanzten vor ihren Augen.
    Während sie zwinkernd darauf wartete, dass sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten, nahm sie plötzlich summende, raschelnde und sogar zischende Geräusche wahr. Kelly klopfte gegen die Kugel, hielt sie über ihren Kopf und drehte sich zu der äußeren Mauer um, aus deren Richtung die Geräusche gekommen waren. Dinge schwirrten und huschten durch die Nacht, die meisten klein und geflügelt, andere größer und mit mehreren Beinen versehen. Knapp einen Meter von ihren Füßen entfernt glitt eine Schlange an ihr vorbei, was sie dazu veranlasste, sich ganz in die Mitte des Kreidekreises zurückzuziehen. Das Tier war gestreift und sah aus wie eine harmlose Natter, aber woher sollte sie wissen, welchen Schlangen man in dieser Welt besser aus dem Weg ging? Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste , dachte sie verzagt.
    Die Schlange tat ihr leid, weil sie vermutlich gegrillt werden würde, wenn sie die Burgmitte erreichte – doch dann kam etwas Faustgroßes, Schwarzes aus dem Schatten
geschossen, packte das Reptil mit entschieden zu vielen Beinen und schüttelte es, bis das sich windende, zuckende Tier erschlaffte. Kelly musste an sich halten, um nicht

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