Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
als notwendig erweisen sollte. Heute ist es mir noch gelungen, mich zu beherrschen, obwohl man mich in meine Kammer eingesperrt und mir nichts zu essen gebracht hat, aber das kann sich sehr schnell ändern, wenn ihr mir das Leben schwer macht. Haben wir uns verstanden?«
Zur Antwort erhielt sie ein mehr oder weniger einhelliges Nicken und gemurmelte Zustimmung. Trevan sprach für seine Brüder, als er aufstand und den Tisch abzuräumen begann. »Ich denke schon, Lady Kelly … aber Ihr solltet Euch im Klaren darüber sein, dass keiner von uns für Saber und Rydan spricht. Ich kann Euch aber versichern, dass mein Zwillingsbruder Rydan sich in der kurzen Zeit, wo sich sein Tagesablauf mit dem Euren überschneidet, mehr oder weniger angemessen betragen wird, vorausgesetzt, Ihr lasst ihn ansonsten in Ruhe und versucht nicht, in sein ureigenstes Revier einzudringen … Keinem von uns ist es jedoch möglich, für Saber zu sprechen. Stimmt es nicht, Wolfer?«
Der Hüne hob abwehrend die Hände. »Dies hier ist sein Schicksal, nicht meines. Ich gebe zu, dass ich im Großen und Ganzen derselben Ansicht bin wie Dominor«, fügte er hinzu, dabei blickte er Kelly an und strich mit den Fingerspitzen über das Armband an seinem Handgelenk; liebkoste es mit einer Zartheit, die gar nicht zu diesem riesenhaften Mann passte. Kelly überlegte flüchtig, welche Bedeutung es wohl für ihn haben mochte, doch da sprach er bereits weiter. »Ich bin wenig geneigt, mich nach den Anweisungen anderer Menschen zu richten, egal ob Mann oder Frau. Wir tolerieren unseren Bruder allein deshalb als Anführer, weil er der Älteste ist. Und ich nehme Morganens gelegentliche Zornesausbrüche hin, weil ich seine Macht respektiere. Aber ansonsten bin ich mein eigener Herr. Man nennt mich nicht umsonst den Wolf.«
»Dann betrachte mich als Alphaweibchen dieses Rudels«, schoss Kelly zurück. Gleichzeitig erhob sich Koranen schon einmal, um seinem Bruder falls nötig beizuspringen. »Ich bin hier zugegebenermaßen das einzige weibliche Wesen, aber selbst wenn dem nicht so wäre, würde ich mich durchzusetzen wissen.«
Wolfer grunzte etwas Unverständliches und griff nach seinem Becher, ohne Zustimmung zu bekunden oder Widerspruch einzulegen.
Dominor musterte sie stirnrunzelnd. »Wie alt seid Ihr eigentlich?«
»Siebenundzwanzig. Und ich bin es von frühester Jugend an gewöhnt, mein Leben in meine eigenen Hände zu nehmen«, fügte sie hinzu. »Nur so konnte ich überleben.«
»Was denn überleben?« Saber war in die Halle getreten und hatte ihre letzten Worte aufgeschnappt.
»Alles Unheil, was einem im Leben widerfährt«, antwortete Kelly, ohne nachzudenken. Allen im Raum, sie selbst nicht ausgenommen, stockte der Atem.
»Also doch!« Trevan balancierte seinen Tellerstapel auf einer Hand, sodass er mit der anderen in der Luft herumfuchteln konnte. » Sie ist das uns prophezeite Unheil! Die Götter wissen, dass niemand in Katan uns helfen wird, sie zu überstehen, also müssen wir selbst sehen, wie wir mit ihr fertig werden!«
Einige der Brüder kicherten in sich hinein, andere wirkten angesichts dieser Möglichkeit erschrocken.
»Ha, ha, sehr komisch«, entrüstete sich Kelly, obwohl ihre Mundwinkel gegen ihren Willen zu zucken begannen. Saber hinter ihr erstarrte. »Es gibt nur einen Weg, der ›Katastrophe Kelly‹ zu entgehen – reißt euch zusammen oder tragt die Konsequenzen! Als ranghöchstes weibliches Wesen auf Nightfall beabsichtige ich, dafür zu sorgen, dass diese Burg in puncto Sauberkeit und Ordnung meinen Ansprüchen genügt – den Ansprüchen einer Frau, Gentlemen,
nicht denen einer Horde nachlässiger, träger Junggesellen.« Ihr Blick wanderte von einem der Männer zum nächsten. »In einer halben Stunde meldet ihr euch wieder hier, und ich gebe euch eure Anweisungen.«
» Du gehst auf der Stelle in deine Kammer zurück! Ich dulde es nicht, dass du meine Brüder wie Dienstboten herumscheuchst!«
Kelly häufte Rührei zwischen zwei Scheiben Käse und zwei Scheiben geröstetes braunes Brot. »Wolfer, seid so gut und teilt Eurem Zwilling mit, dass ich mich weigere, jemandem zuzuhören, der mich anschreit. Regel Nummer Vier, wie Ihr wisst.«
Die goldenen Augen ruhten einen Moment lang nachdenklich auf ihr, dann leuchteten sie belustigt auf. »Saber, Lady Kelly wünscht, dass ich dich davon in Kenntnis setze, dass sie dir nicht zuhört, wenn du sie anschreist. Das ist Regel Nummer Vier, musst du wissen.«
»Was soll das
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