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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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umschließenden Armen Beachtung zu schenken. »Hat Euer Bruder das Wort ›bitte‹ in seinen Wunsch einfließen lassen?«
    Saber verstärkte seinen Griff um die Lehnen. Ihm wurde klar, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Nachdem er während der ganzen Nacht mit seinem so plötzlich aufgeflammten Verlangen nach ihr und seiner Angst – ja, Angst – vor dem über ihren Köpfen schwebenden Fluch gekämpft hatte, hatte er schließlich eingelenkt und war in die Küche gegangen, um ihr ein verspätetes Frühstück zu holen. Und als er dann feststellen musste, dass sie verschwunden war … wie vom Erdboden verschluckt, ohne dass er die leiseste Ahnung hatte, wo sie stecken konnte und wie sie aus dem Raum entkommen war, war nacktes Grauen in ihm aufgekeimt.
    Jeder Magier, der mit den Gegebenheiten von Nightfall vertraut und überdies mächtig genug war, um ihnen im Lauf der letzten drei Jahre so viele Makkadadak- und andere Plagen zu schicken, konnte seine Erinnerungen oder auch ein Gemälde der Burg benutzen, um sie mittels Fernsicht auszuspionieren. Besagter feindlicher Magier hätte auf diese Weise mühelos von Kellys Anwesenheit erfahren können. Er und seine Brüder hatten dafür gesorgt, dass sämtliche Spiegel, auch die in den leer stehenden Räumen, durch Zaubersprüche vor der heimlichen Nutzung durch Feinde geschützt wurden … aber vor zweihundert Jahren war Nightfall ein blühendes Herzogtum gewesen und nicht einfach nur eine Insel, auf die unerwünschte Bewohner Katans von ihren Mitmenschen abgeschoben wurden. Irgendjemand besaß sicherlich noch ein oder zwei erhalten gebliebene Gemälde aus dieser Zeit, die die Burg detailgetreu genug zeigten, um mit Hilfe von Teleportationszaubern bösartige kleine Bestien dorthin zu befördern.
    Und vielleicht ließ sich mittels eines solchen Bildes auch eine in der Burg versteckte Frau ausfindig machen und entführen … oder gar töten. Darum war Saber fast das Herz stehen geblieben, als er Kelly nicht in ihrer Kammer
vorgefunden hatte. Und darum war er so erleichtert, sie gesund und munter wiedergefunden zu haben, dass er sich bereit fand, auf ihr unbegreifliches, in seinen Augen typisch weibliches Verhalten einzugehen und ihr Spiel mitzuspielen.
    »Wolfer, würdest du wohl so gut sein, Lady Kelly auszurichten, dass es mir eine große Freude wäre, wenn sie mich bitte ansehen würde?«, bat er mit formvollendeter Höflichkeit, während sie ihren Saft austrank.
    »Lady Kelly, mein Bruder äußert die mit großem Respekt vorgetragene Bitte, dass Ihr ihm Eure geschätzte Aufmerksamkeit schenkt.«
    »Wenn er sich wie ein Gentleman verhält, werde ich seiner Bitte selbstverständlich entsprechen.« Kelly tupfte sich die Mundwinkel mit den Fingern ab, da es keine Servietten gab – noch eine Nachlässigkeit, die es im Rahmen ihrer Pflicht als Frau, überall dort, wo sie sich gerade aufhielt, ein Mindestmaß an Zivilisation aufrechtzuerhalten, abzustellen galt. Ihr Blick wanderte von einem der abstrakten Buntglasfenster in der Halle zu dem Mann, dessen Schultern ihr zum Teil die Sicht darauf versperrten. »Siehst du, wie einfach es ist, sich meiner Aufmerksamkeit zu versichern, Saber? Sogar ich verdiene ein wenig Freundlichkeit, findest du nicht?«
    Diese schlichten Worte, gepaart mit dem Leuchten in ihren aquamarinblauen Augen, trafen ihn wie ein glühender Pfeil. Saber vergaß zu atmen, als er in ihrem Blick zu ertrinken drohte. Ihre körperliche Nähe und die Angst, die er um sie ausgestanden hatte, lösten ein seltsames Schwindelgefühl in ihm aus.
    Jeder Atemzug, den sie aussstieß, jeder, den er einsog, bildeten ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Der moschusartige, feminine Duft ihres Körpers und das schwache Aroma des tisi -Blumenöls, mit dem sie sich eingerieben hatte, berauschten ihn. Jetzt endlich gestand er sich
stumm ein, dass er sich von Anfang an zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Eine kleine Handbewegung, und er konnte ihre Arme berühren, konnte sie berühren …
    Sie sich ganz zu eigen machen, so wie er es sich in seiner Fantasie ausgemalt hatte, trotz seines Widerstandes gegen alles, wofür sie stand … diese Frau, noch immer zu dünn und ausgezehrt, aber mit verlockenden Kurven an den richtigen Stellen, mit einem eisernen Willen, der dem seinen in nichts nachstand und der ebenso eisernen Entschlossenheit, den Widrigkeiten des Lebens die Stirn zu bieten. Kelly of Doyle war es wert, den Fluch auf sich zu

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