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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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rufen lassen, denn Arion hat ihm versprochen, ihn auf einer Feier vor den ersten Familien Korinths singen zu lassen. Nun möchte Ulsna unaufgefordert zu Arions Haus gehen. Würde das mehr schaden oder nutzen, was meinst du?«
    Prokne betrachtete sie nachdenklich, denn sie glaubte, verstanden zu haben, worauf Ilian eigentlich hinauswollte. »Arion sagt leicht etwas dahin, das er schnell wieder vergißt«, antwortete sie, »aber er ist großzügig und würde deinem Zwitter gewiß helfen. Aber wenn du ihm auf diese Weise die Nachricht von deiner Gesundung zukommen lassen willst - erspar dir die Mühe. Mein Vetter wird es ihm gern sagen.«
    Eine Spur von Ungeduld schlich sich in Ilians Ton. »Ulsna ist nicht mein Zwitter, nicht mein Diener, nicht mein Was-auch-Immer. Wenn ihm Arion dazu verhelfen kann, sein Glück zu machen - um so besser, dann wird er sich nämlich nicht mehr verpflichtet fühlen, mich zu begleiten. Wenn Arion ihm allerdings nicht hilft, dann werde ich zu verhindern suchen, daß Ulsna überhaupt dorthin geht. Er...« Sie stockte und wirkte mit einemmal verlegen.
    Prokne erinnerte sich daran, was sie über die Sitten der Rasna gehört hatte, und lachte. »... hat sich in Arion vernarrt?« beendete sie Ilians Satz. »Ja, das ist mir auch aufgefallen, aber nicht nur in Arion. Für dich schwärmt das arme Ding auch. Leider wird er bei Arion nie zum Ziel kommen; Arion mag seine Weiber weiblich und seine Männer männlich, keine Mischung aus beiden. Bei dir jedoch bestehen durchaus Aussichten«, schloß sie und ließ offen, ob sie sich auf Arion oder Ulsna bezog. Zufrieden stellte sie fest, daß sie Ilian endlich gründlich aus der Ruhe gebracht hatte. Das Mädchen errötete und erklärte mit zusammengebissenen Zähnen, sie lege keinen Wert auf Liebhaber irgendwelcher Art.
    »Warum fragst du mich dann um Rat?« erkundigte sich Prokne, die bei sich feststellte, daß sie lange keine so belustigende Neckerei mehr erlebt hatte. »Erzähl mir nicht, daß es dir wirklich nur um den armen Ulsna geht.«
    »Also schön«, sagte Ilian kalt, und verwandelte sich von einem befangenen jungen Mädchen zu der rätselhaften Person, die Prokne unheimlich war. »Ich habe über deine Worte nachgedacht. Auch wenn ich immer noch glaube, daß die Macht des Körpers eine sehr trügerische ist und man sich nie auf sie verlassen sollte, kann ich sie doch nicht leugnen. Ich habe ein bestimmtes Ziel vor Augen, und es mag sein, daß ich eines Tages darauf angewiesen bin, auch diese Macht einzusetzen. Daher möchte ich dich bitten, mir alles beizubringen, ehe ich nach Delphi weiterreise.«
    Wenn sich die Erde unter ihr geöffnet hätte, wäre das für Prokne nicht verwunderlicher gewesen. Sie starrte Ilian an, wußte nicht, ob sie lachen oder entsetzt sein sollte, und fragte sich, welches eigentlich die wahre Ilian war: das gefühlsverwirrte Mädchen oder die düstere Philosophin oder die bittere Schlußfolgerungen von sich gebende Frau.
    »Mein gutes Kind«, entgegnete sie schließlich, »das geht so nicht. Eine Hetäre meines Rangs wird man im Laufe von Jahren.«
    »Ich will keine Hetäre werden. Ich möchte nur wissen, wie ich meinen Körper richtig einsetzen kann, falls mir nichts anderes übrigbleibt.«
    »So etwas lernt man nicht über Nacht, sonst könnte jedes Straßenmädchen das gleiche wie ich verlangen. Es genügt auch nicht, einen annehmbaren Körper zu haben; davon gibt es mehr als Kiesel am Strand. Das Geheimnis liegt daran, genügend Macht und Wissen über die Vorstellungskraft eines Mannes zu gewinnen, um deinen Körper einzigartig erscheinen zu lassen, doch um das zu erlernen, bedarf es mehr als nur ein paar guter Ratschläge. Und wie soll sich dieses Vorhaben eigentlich mit deinen... hm, priesterlichen Idealen vertragen?«
    Ilians Gesicht verschloß sich. »Das ist meine Sache«, gab sie zurück.
    »Nun, wenn ich es dir beibringen soll, dann ist es auch die meine.«
    Der Satz stand zwischen ihnen, und erst einen Augenblick später begriff Prokne, daß man ihn auch als indirekte Zustimmung auffassen konnte, was sie keineswegs beabsichtigt hatte. Doch sie war neugierig genug, um Ilians Antwort abzuwarten, ehe sie das klarstellte.
    »Die Götter«, erklärte Ilian endlich, »haben mich zu einem bestimmten Zweck auf die Welt geschickt. Ich dachte, ich würde diesen Zweck erfüllen, aber als ich geprüft wurde, reichte mein Glaube nicht aus. Dafür wurde ich bestraft, bis ich begriff. Es genügt nicht, nur hinzunehmen. Um

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