Die Söhne der Wölfin
Nichte, die von dem Kriegsgott selbst erwählt wurde und ein Kind von ihm erwartete, die hat er sogar in die Wildnis geschickt, auf daß sie stürbe. In Alba sind sie überzeugt, daß deswegen ein Fluch auf ihm lastet, aber keiner erhebt seine Hand gegen ihn. So sind die Tusci. Dulden selbst verbrecherische Könige, solange sie ihnen nur die Bäuche füllen.«
»Was ist aus der Geliebten des Kriegsgotts geworden?« fragte Numas kleine Schwester, Pompilia die Jüngere, und bestätigte damit ein weiteres Mal die Überzeugung der Zwillinge, daß Mädchen sich stets auf die langweiligsten Stellen einer Geschichte stürzten. Remus hatte gerade fragen wollen, worin die Verkrüppelung bestand.
»Das weiß keiner, aber der Sabiner, von dem ich die Geschichte erzählt bekommen habe, meint, es sei prophezeit worden, daß der Sohn des Kriegsgottes sie und ihren Vater dereinst rächen und den Thron von Alba besteigen werde.«
Fasti spürte das Alter täglich stärker in ihren Knochen und sah keinen Grund mehr, Gänge zu unternehmen, wenn sie die betreffenden Leute genausogut zu sich bitten oder befehlen konnte. Den König von Alba vor sich zu sehen, statt ihn in seinem Palast aufzusuchen, entsprach ihren Erwartungen; selbst daß er ermüdenderweise schon wieder seine Tochter mitgebracht hatte, überraschte sie nicht. Seit acht Jahren versuchte Arnth nun schon, sie dazu zu bringen, Antho zu ihrer Nachfolgerin zu machen. Er wußte, daß er dadurch nichts verlor; im Notfall konnte er Antho jederzeit verheiraten, denn der Frau, die einen Anspruch auf die Krone von Alba als Mitgift besaß, würde es niemals an Freiern mangeln. Inzwischen versuchte er weiterhin, einen Sohn zu zeugen, und hoffte darauf, daß Fasti nachgab, ehe der Tod sie holte.
Er würde umsonst warten. Fasti hatte nicht die Absicht, nachzugeben. Antho als Priesterin wäre eine ständige Gefahr gebrochener Gelübde; Antho als Hohepriesterin wäre eine Katastrophe. Das Mädchen war vielleicht nicht strohdumm, doch ihr fehlte die Fähigkeit, sich über eine längere Zeit auf ein Ziel zu konzentrieren, ihr fehlte jeglicher Weitblick, und ihr fehlte das Gefühl für die Erhabenheit des Amtes. Statt dessen ließ sie sich von ihren eigenen kleinen Wünschen und Begierden treiben und nahm sich, was sie wollte, ob es nun Purpur aus Syrien oder ein neuer Liebhaber war. Genauso schnell verlor sie das Interesse an beiden. Das ging für die bedeutungslose Tochter eines Königs an, aber nicht für die Stimme der Göttin Turan.
»Es freut mich, daß du dem Volk deinen Familiensinn zeigst, Herr«, sagte Fasti spitz, nachdem sie Arnth begrüßt und Antho kurz zugenickt hatte. »Nach dem zu urteilen, was derzeit geklatscht wird, zweifelt das Volk allmählich daran, und dich als liebenden Vater zu sehen kann daher nur guttun.«
»Darüber wollte ich mit dir sprechen. Fühlt sich der Tempel um irgend etwas betrogen, Fasti? Anders kann ich mir nämlich nicht erklären, warum auf einmal eine alte Geschichte ausgegraben, bis zur Unkenntlichkeit entstellt und mit ständigen Verweisen auf Prophezeiungen und die Wünsche der Götter weitergegeben wird. Es wäre allerdings eine sehr törichte Methode, um wegen irgendwelcher Sonderrechte neu zu verhandeln. Schließlich gibt es noch genug Leute, die sich daran erinnern, wer die Verbannungszeremonie für Ilian damals durchgeführt hat.«
Einmal abgesehen von den Vorstellungen bezüglich seiner Tochter, war Arnth immer ein kluger Mann gewesen. Fasti schlürfte den Kräutertrank, den sie sich hatte bringen lassen, um ihre Gelenkschmerzen zu lindern, und lächelte über Anthos abgestoßenen Blick.
»Es wäre in der Tat töricht, mein König«, stimmte sie zu. »Daher freut es mich, dir versichern zu können, daß diese bösartigen Gerüchte nicht vom Tempel der Göttin Turan ausgehen. Hast du daran gedacht, die Priesterschaft Caths zu befragen? Es hat sie immer bekümmert, daß Turan die oberste Schutzgöttin unserer Stadt ist; sie benötigten neue Gunstbeweise viel dringlicher.«
Der König strich mit der Hand über seinen Bart, in den sich erste graue Streifen eingeschlichen hatten.
»Was mich von dieser Schlußfolgerung zurückhält«, sagte er langsam, »ist, daß nicht Cath als Vater genannt wird. Und wenngleich jeder Krieger vor der Schlacht zu Laran betet, hat Laran doch keinen Tempel hier in der Stadt. In der Tat ist es die Nennung von Laran, die mich auf dich bringt, Fasti.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Hat Ilian
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