Die Söhne.
Er war nicht der Kaiser, war nicht der Bruder ihres Gatten, er war einfach ein Mann, der ihr gefiel und dem sie gefiel.
Claudius Regin ließ sich melden. Der Kaiser empfing ihn nicht, bestellte ihn für den andern Tag. Als Lucia fortwollte, hielt er sie zurück, und als sie endlich auseinandergingen, spürten sie eine starke, angenehme Neigung einer für den andern. Jetzt erst, so kam es Titus vor, war er ganz von der Jüdin genesen, und wieder streifte ihn jene läppische, abergläubische Hoffnung, diese Lucia vielleicht könne ihm einen Sohn gebären.
Den Tag darauf gab er Weisung, das Bild der Berenike wegzuhängen. Nun erinnerte in Rom nichts mehr an sie als jenes Sternbild in der Nähe des Löwen, jenes ferne, feine Leuchten, zart wie ein Haarstreif, das ihren Namen trug.
Der Intendant hatte das Erschrecken und die Demütigung des Demetrius Liban mit Vergnügen wahrgenommen. Da der Schauspieler ihn oft durch seine Star-Allüren gereizt hatte, nutzte er mit Freuden die Gelegenheit, ihm das heimzuzahlen. Sowie er Titus das nächste Mal Vortrag hielt, versuchte er, ihn zu bewegen, eine Aufführung der Posse »Der Jude Apella« anzuordnen.
Kaum aber hatte er von dieser Sache begonnen, so mußte er an der Haltung des Kaisers merken, daß er seine Zustimmung nicht so glatt erlangen werde, wie er gehofft hatte. Wen er da vor sich hatte, das war der Walfisch, ein plumpes Tier, aber gefährlich durch Ungeheuerlichkeit, so daß die Jagd Listen und Umwege erforderte. Geschickt bog der Intendant denn auch ab, kam aber später von neuem, diesmal mit viel beiläufigeren, vageren Worten, auf das Verlangen der Römer zurück, einmal wieder die Posse vom »Juden Apella« zu sehen. Er kannte die Schwäche des Walfischs, er wußte, wieviel diesem am Beifall der Massen lag. Er betonte, daß er selber den »Juden Apella« nicht sehr liebe und daß der »Laureol« des Marull sehr gut sei. Er halte es aber für seine Pflicht, dem Kaiser zu berichten, wie sehr die Massen gerade jetzt eine Aufführung des »Juden Apella« wünschten.
Titus schaute den in demütig abwartender Haltung dastehenden Herrn aus merkwürdig abwesenden Augen an. Soll er seinem Volk einen Wunsch abschlagen, den er so leicht erfüllen kann? Freilich, er hat Lucia ein Versprechen gegeben. Hat sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß man »nicht zu weit gehe«. Auch liegt es keineswegs in seiner Absicht, den Demetrius zu kränken.
Verdrossen saß er da, sinnloses Zeug auf sein Notiztäfelchen stenographierend. Er ging Entscheidungen gerne aus dem Weg, er liebte Kompromisse. »Wie wäre es«, sagte er, »wenn man den Liban seinen Laureol spielen ließe und einen dritten, den Latin zum Beispiel oder den Favor, den Juden Apella?«
Der Intendant zuckte die Achseln. »Ich fürchte«, erwiderte er, »damit verlöre die Aufführung ihren Reiz. Die Römer würden sich wundern, daß nicht ein Jude den Juden spielt. Man würde außerdem durch eine solche Lösung den Liban nicht weniger kränken als das Volk; denn Liban war meisterhaft in der Rolle.« Da er sah, daß sich der Kaiser noch immer nicht entschließen konnte, machte er Konzessionen. Daß der Monarch, meinte er, auf den Schauspieler keinen unziemlichen Druck ausüben wolle, entspreche durchaus seiner milden Wesensart. Er glaube aber, es gebe einen Mittelweg. Man könne dem Volk die beliebte und aktuelle Posse zeigen, ohne den Schauspieler vor den Kopf zu stoßen. Wie wäre es, wenn man zum Beispiel den Liban bäte, jetzt während der Spiele den Apella darzustellen, und ihm dafür das bestimmte Versprechen gäbe, ihn demnächst den Laureol spielen zu lassen? Titus überlegte. Aber trotzdem er zögerte, sah der Intendant sogleich, daß er jetzt den Walfisch zur Strecke gebracht hatte. Und so war es. Wenn Titus zögerte, dann nur, um das Gesicht zu wahren. In seinem Innern war er glücklich über das Kompromiß, das der Intendant vorschlug. Auf diese Weise hielt er das Versprechen, das er Lucia gegeben hatte, und brauchte trotzdem seine Römer nicht zu verärgern. »Gut«, sagte er.
Liban verfluchte sein Schicksal. Immer wieder stellte es ihn vor so bittere Alternativen. Als er damals, nach qualvollem Schwanken, den Juden Apella gespielt hatte, war das wenigstens eine Angelegenheit gewesen, die die ganze Judenheit betraf. Daß sie zum Schaden ausgegangen war, daß schließlich, wenn man es so wollte, Staat und Tempel daran verdarben, war nicht seine Schuld. Jetzt ging das Problem
Weitere Kostenlose Bücher