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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Demetrius Liban für ihn getan hatte, als er das erstemal in Rom gewesen war. Josef, trotzdem er in seinem Buch keine Ziffern gebracht hatte, war ein genauer Rechner. Er vergaß es nicht, wenn einer ihn kränkte, aber er vergaß auch nicht, was einer Gutes für ihn tat. Als jetzt der Schauspieler so klein und elend vor ihm saß, als er ihm berichtete, wie man ihm zugemutet habe, den Juden Apella zu spielen an Stelle des Seeräubers Laureol, da beschloß Josef, seinem Freunde Genugtuung zu schaffen. Er faßte einen kühnen Plan, er ging zu Lucia.
      Josef verstand sich auf Frauen. Vom ersten Augenblick an, da er Lucia gesehen hatte, wußte er, wie sie zu nehmen war. Sie war gierig nach Leben, empfänglich für starke Leidenschaft, frei von Furcht. Marull hatte ihm erzählt, sie habe es nicht gebilligt, daß Titus Berenike wegschickte, sosehr das in ihrem und Domitians Interesse war. Wenn es Josef gelang, ihr klarzumachen, wie unfair man gegen den Schauspieler handelte, dann, des war er sicher, wird sie sich seiner annehmen.
      Lucia verbarg nicht ihre Freude, ihn zu sehen. Josef sprach mit ihr offen wie mit einer guten, verständigen Freundin. Er sprach von Berenike, erzählte ihr aus ihrer ersten Zeit Dinge, die er noch nie erzählt hatte. Er sprach warm von Titus, bedauerte, daß er sich von Berenike gelöst hatte, gab ihm aber gleichwohl recht und sah mit Freuden, daß Lucia sich gegen diesen seinen Männerstandpunkt leidenschaftlich empörte. Von da an hatte er leichten Weg. Schnell und ohne daß er selber starke Worte brauchen mußte, hatte er sie so weit, daß sie das Vorgehen gegen die Juden der Stadt und gegen den Schauspieler im besonderen mißbilligte. Es war unfair, diese Leute erst zu verhätscheln und in tausend Hoffnungen zu wiegen und sie dann mit einem Fußtritt beiseite zu stoßen. Ja, das war ihre Meinung. Sie wird mit dieser Meinung nicht zurückhalten, auch vor ihrem Schwager Titus nicht. Groß, die kühnen Augen über der scharf einschneidenden Nase weit auseinander, saß sie vor Josef, der hohe Turm ihrer kunstvoll frisierten Locken zitterte leicht, Josef war überzeugt, daß Titus ihre Meinung ernstlich bedenken werde.
      Titus strahlte, als er Lucia sah. Er sah sie neu. Wohl hatte er schon in diesen letzten Wochen wahrgenommen, wie schön und voll Kraft sie war, aber da war er noch durch die Jüdin verzaubert gewesen. Jetzt erst sah er sie recht, gewissermaßen zum erstenmal, ihr kühnes, unbekümmertes, sinnliches Gesicht. Diese wußte zu leben. Er war der Narr, und Bübchen hat recht gehabt. Hätte er in so jungen Jahren wie Bübchen eine Frau gefunden, dieser gleich, dann hätte er wohl kaum in allen Erdteilen so wüst herumgehurt, dann wäre alles gut gegangen, und er hätte noch die Fähigkeit, Kinder zu zeugen. Dann auch wäre er kaum in den Bann der Jüdin gefallen, und dieser peinvolle Umweg wäre ihm erspart geblieben.
      Was sagte Lucia da? »Wie Sie es gemacht haben, Schwager, das war Ihrer nicht würdig. Daß eine Frau einem nicht mehr gefällt, das kommt vor, das liegt in der Natur der Sache, dagegen ist nichts zu sagen. Aber ich finde es unfair, daß Sie diese Änderung Ihres Geschmacks fünf Millionen Menschen entgelten lassen. Mir sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen, Ihre Juden unsympathisch, wahrscheinlich noch unsympathischer als Ihnen. Aber wie Sie sie jetzt behandeln, Titus, das geht nicht. Wenn Bübchen so etwas machte, ich würde ihm den Marsch blasen.« – »Wissen Sie, Lucia«, sagte Titus geheimnisvoll und wie in einer plötzlichen Erleuchtung, »dieser Reiz, der von ihr ausging, das war nichts Natürliches, Gesundes. Es war nur das Fremdländische, dieses verfluchte Östliche. Erst jetzt habe ich sie mit guten, römischen Augen gesehen. Sie ist eine alte Jüdin, meine Römer haben recht. Ich bin gesund geworden, ein bißchen plötzlich, und da haut man leicht über die Stränge. Wahrscheinlich stimmt das, was Sie sagen. Ich werde aufpassen, daß man nicht zu weit geht.«
      Er sah sie an, und sie sah ihn an, und er gefiel ihr. Sie liebte Bübchen auf ihre Art, aber Titus war interessanter. Beim Jupiter, das war kein Walfisch, das war ein springlebendiger Delphin. Wie reizvoll unberechenbar er war, militärisch straff jetzt, dann wieder knabenhaft verspielt, dann wieder grübelnd über seine Sehnsucht nach dem Osten, versinkend. Heute zeigte er unbekümmert, kindlich, wie froh er an ihr war. Er fand die rechten Worte, nicht zudringlich, nicht schüchtern.

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