Die Söhne.
Massen waren glücklich. Auch auf den Bänken des Adels, ja in der kaiserlichen Loge selbst freute man sich, daß die Gefahr der östlichen Herrschaft abgewandt war. »O du sehr guter, sehr großer Kaiser Titus«, scholl es wieder und wieder von allen Seiten, »o du Liebe und Freude des Menschengeschlechts«, und, zärtlich geradezu: »O du unser sehr gutes, sehr großes Walfischlein.«
Während des langen Ablaufs der Spiele freilich, und zwar nach dem Mittag, hatte Titus einen jener Anfälle, wie man sie aus den ersten Wochen seiner Herrschaft kannte. Er versank in sich, schaute schlaff vor sich hin und begann plötzlich zu weinen. Niemand wußte, warum, er selber hätte es wohl kaum sagen können, und sehr viele von den Siebenundachtzigtausend nahmen es wahr; denn die kaiserliche Loge war von den meisten Plätzen aus sichtbar.
Es geschah dies übrigens während eines komischen Zwischenspiels, betitelt »Die Experimente des Dädalus«. In der Arena wurden mit Flügeln versehene Menschen durch kunstvolle Maschinen hochgezogen, so daß es aussah, als flögen sie wirklich. Die Seile waren jedes anders konstruiert, alle aber so, daß sie bei bestimmten, den Gefangenen nicht bekannten Bewegungen zerrissen. Wer die ganze Arena überflogen hatte, war gerettet, für heute zumindest, aber viele Stricke rissen vorher, und die Flügelwesen stürzten sich zu Tode. Es war possierlich anzusehen, wie die sonderbaren Menschenvögel, vor allem während des letzten Teils ihres Flugs, sich bemühten, ans Ziel zu kommen, wie aber gerade da infolge der gesteigerten Schnelligkeit noch viele sich zerstürzten. Die Organisatoren hatten sich von dieser Nummer besonders viel versprochen. Sie wirkte auch. Doch ging ein großer Teil der Wirkung dadurch verloren, daß die Zuschauer ihre Aufmerksamkeit zwischen den Flügelwesen und der kaiserlichen Loge teilten und sich betreten oder zumindest neugierig fragten, was wohl den Walfisch anwandle.
Die Flugbahn der Menschenvögel war übrigens so, daß sie während ihres ganzen Weges die kaiserliche Loge vor Augen hatten. Vielleicht war es für den einen oder andern von ihnen, bevor er zu Tode stürzte, ein Trost, daß der Mann, der sie gefangengenommen hatte und jetzt sterben ließ, weinte.
DRITTES BUCH
Der Vater
ie Dame Dorion verbrachte jetzt den größten Teil ihrer Zeit in der Villa in Albanum; der Bau war so weit
gefördert, daß man dort bequem hausen konnte. Vollendet freilich war die Villa noch lange nicht, Dorion dachte sich immer neue Verfeinerungen aus. Sie hatte das Geld dazu, die Hinterlassenschaft ihres Vaters war ansehnlich. Trotzdem ließ sie alle Rechnungen für die Arbeiten an der Villa Josef zuschicken. Es lag ihr nicht viel an Geld; aber für Josef, das wußte sie, bedeuteten diese Aufwendungen Opfer, und sie lauerte darauf, ihn zu demütigen. Wann endlich wird er kommen und erklären, nun zahle er nicht länger? Sie bereitete sich auf diesen Tag vor. Malte sich aus, wie sein hochmütiges Gesicht sich verzerren wird, wenn er ihr diese Mitteilung machen muß. Überlegte gut, was sie ihm antworten wird. Oh, sie wird ihm nicht mehr hereinfallen. Er soll sie nicht noch einmal beschwatzen, der Wortkünstler, der Totenrichter, der Betrüger, der falsche Hellseher, der Jude. Jetzt ist sie gegen seine Künste gesichert. Die Erinnerung an ihren Vater ist ein Amulett, das sie vor allen Versuchungen dieses Josef schützt.
Allein Josef versuchte sie nicht. Er lebte in Rom, sie in Albanum, sie sah ihn selten, und wenn, dann war er höflich, fast heiter, vermied aber jedes intimere Gespräch. Die einzige Freude, die sie bei solchen Zusammenkünften hatte, war der hungrige Blick, mit dem er zuweilen, wenn er sich unbeobachtet glaubte, seinen, ihren Sohn Paulus betrachtete. Geschlagen aber gab er sich offenbar noch lange nicht. Er hielt sein Versprechen, zahlte die Rechnungen für das Haus und bot ihr keine Gelegenheit, ihm ihre gut vorbereiteten Worte zu sagen.
Dorion hatte sich in diesen Wochen verändert. Ihre Augen schauten wilder, heller, fordernder aus dem dünnen Kopf, ihr breiter Mund mit den kleinen Zähnen öffnete sich in stärkerer Begier, sie war schön, dünn und gefährlich. Aber das Zarte, Kindliche war fort, das früher an ihr gewesen war. Erzählte man Anekdoten von der zunehmenden Judenfeindschaft der Römer, dann konnte sie so böse und befriedigt lachen, daß selbst ihre Freunde erschraken.
Josef lebte in seinem
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