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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihn allein an, nicht die Gesamtheit, aber es drückte ihn darum nicht weniger. Wenn er nicht auftrat, wenn er es hinnahm, daß man ihn bei den Hunderttägigen Spielen überging, dann war er für immer erledigt. An dem Kaiser wird er von nun an kaum mehr eine Rückendeckung haben. Bestimmt wollte der sich, vielleicht sogar ohne daß er es wußte, an allen Juden rächen für die Enttäuschung, die Berenike ihm bereitet hatte. Wenn er sich jetzt weigerte, den Juden Apella zu spielen, dann wird das dem Titus ein willkommener Vorwand sein, ihn für immer unten zu halten. Und er war einundfünfzig Jahre alt.
      Er war zweiundfünfzig Jahre alt, aber das gestand er sich nicht ein.
      Damals, als er das erstemal den Juden Apella spielte, hatte er ein Gutachten der Doktoren eingefordert. Das Gutachten war zweideutig ausgefallen, es verbot im Nachsatz, was es im Vordersatz erlaubte. Diesmal forderte er kein Gutachten. Er wußte, wenn er jetzt den Juden Apella spielt, werden das die Doktoren einmütig und unverklausuliert für eine Todsünde erklären. Die Doktoren waren gelehrt, und er verehrte sie. Aber in dieser Sache konnten sie ihm nicht raten, ihre Grundsätze waren zu starr.
      Er sprach mit Josef, mit Claudius Regin. Durfte er es auf sich nehmen, durch Darstellung des Juden Apella sich über sein Judentum lustig zu machen, wie man ihm zumutete? Durfte er andernteils, nachdem Jahve ihn mit so außergewöhnlicher Kunstbegabung begnadet hatte, sich weigern und sich durch solche Weigerung das Theater für immer verschließen? Sowohl Josef wie Regin fanden kein Ja und kein Nein, beide waren schwunglos.
      Am Ende entschloß sich Demetrius Liban, aus dem Depot der für die Spiele bestimmten kriegsgefangenen Juden fünf mit großen Geldopfern freizukaufen und den Juden Apella zu spielen.

    »Ich bin nicht sentimental, aber die Narbe unter der linken Brust darfst du nicht küssen«, sagte Lucia zu Titus, mit großen, gleichmäßigen Zähnen lachend. »Er darf es auch nicht.« Es war die Nacht vor der Eröffnung des Flavischen Amphitheaters, die erste Nacht, die sie mit ihm verbrachte.
      »Warum machst du mich eifersüchtig, Lucia?« fragte Titus zurück. »Warum quälst du mich?«
      Groß, satt, nackt lag sie da. »Ich habe dir immer gesagt, daß ich ihn liebe«, erwiderte sie. »Aber was hat das mit dir zu tun? Was hat das mit uns zu tun? Sprich nicht von ihm. Du bist sehr anders, mein Titus. Es ist gut, daß die Götter die Männer so verschieden gemacht haben.«
      »Ich glaube«, sagte Titus, satt auch er, flüsternd, geheimnisvoll, glücklich, »ich glaube, jetzt habe ich mein Blut gereinigt von diesem verfluchten Osten. Durch dich, Lucia. Jetzt bin ich Römer, Lucia, und ich liebe dich.«
      Er war vollkommen glücklich, als er am andern Tag das Theater betrat, stürmisch umjubelt, und wissend diesmal, daß der Jubel nicht von der Polizei arrangiert war. Es war eine starke Lockung für ihn gewesen, dem Theater seinen eigenen Namen zu geben, aber er hatte sich bezwungen, er hatte die Ehre des großartigen Werkes der Familie überlassen, er weihte den Bau auf den Namen »Flavisches Amphitheater«. Ein Triumph aber war es für ihn und ein Zeichen von der Huld des Himmels, daß die Einweihung dieses Hauses ihm vergönnt war, nicht dem Vespasian, der so lange daran gebaut hatte. Klar und froh schauten seine Augen den riesigen, von Men schen wimmelnden Raum auf und nieder, er kannte die Zahl dieser Menschen, siebenundachtzigtausend waren es, die dreitausend Marmorstatuen verloren sich in der Masse der Lebendigen.
      Die Spiele begannen. Es war früh am Morgen, und sie dauerten, bis die Sonne sank. Man hatte für diesen ersten Tag besonders großartige Vorbereitungen getroffen, und es starben an ihm allein neuntausend wilde Tiere und an viertausend Menschen. Auch in den Pausen zeigte man den Massen, daß sie Gäste eines wahrhaft großzügigen Kaisers waren. Nicht nur erhielten sie Wein, Fleisch und Brot umsonst, es wurden auch Lose ausgeworfen, die denjenigen, die sie erhaschten, Anspruch auf Terrains gaben, auf Geld, auf Leibeigene, und noch die geringsten unter den Losen berechtigten ihren Inhaber zu einer unbezahlten Liebesstunde mit einer der zahlreichen erlesenen, zu diesem Zweck bereitgestellten Huren.
      Der Tag war herrlich, nicht zu heiß und nicht zu kalt, und nicht die Jüdin saß in der Loge neben dem Kaiser, sondern Lucia, Lucia Domitia Longina, die Römerin, die starke, üppige, lachende; die

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