Die Söhne.
überlegt, ob er seinem toten Freunde zulieb die »Große Deborah« aufgeben solle oder das Eichhörnchen, und hatte sich schließlich für die Opferung des Tieres entschlossen. Nun stand er da, das Eichhörnchen hatte ihn zerbissen und zerkratzt, seine Hände waren ganz blutig, vom Blut des Tieres und von seinem eigenen, und er mußte sich sehr zusammennehmen, daß ihm nicht übel wurde. Immerhin war er jetzt ohne Frage legitimer Erbbesitzer der »Großen Deborah«.
Josef selber hielt sieben Tage Trauer, wie es Vorschrift war, auf der Erde hockend, mit zerrissenem Kleid, und er eggte und pflügte seine Seele durch in diesen Tagen. Dann setzte er sich hin und schrieb den »Psalm vom Ich«:
Warum bist du so zweideutig, Jahve, Wie ein Wegweiser, dem Knaben zum Spaß
Einen Arm ausrissen, den andern falsch beschriftend,
So daß jetzt ein einziger Arm
Gleichzeitig nach Ost und Westen weist?
Warum mißgönntest du den Menschen ihren Bau von Babel Und verwirrtest ihr Sprechen,
So daß einer jetzt Grieche heißt und einer Jude Und Römer der dritte,
Während sie doch aus einem Odem gemacht sind und Aus einer Rippe?
Ich hab einen Streit gegen dich, Jahve, Eine gute Streitsach.
Josef Ben Matthias gegen Jahve, so heißt mein Streit.
Warum, wenn ich Josef Ben Matthias bin, muß ich dazu
Noch Römer sein oder Jude oder beides zugleich?
Ich will ich sein, Josef will ich sein,
So wie ich kroch aus meiner Mutter Leib,
Und nicht gestellt zwischen Völker
Und gezwungen, zu sagen: von diesen bin ich oder von jenen.
Aus meiner großen Zerrissenheit, Jahve,
Schrei ich zu dir:
Laß mich Ich sein.
Oder schmeiß mich zurück in das Öd und Leere,
Aus dem du mich rissest
Ins Licht dieser Erde.
In den sieben Tagen der Trauer hatte Josef scharf nachgedacht, welche Folgerungen für sein Verhalten er aus dem Tod seines Sohnes zu ziehen habe. Er glaubte nicht an Zufall. Jahve und das Schicksal, das war eins. Er war bereit, zuzugeben, daß der Tod Simeons eine Strafe war, aber worin soll die tätige Reue bestehen, die Jahve von ihm forderte? Er glaubte an die Verwobenheit aller Geschehnisse um ihn. Alles war eine Kette, und wie kein Buchstab der Heiligen Schrift durch Zufall an seiner Stelle stand und wie die Folge ihrer Gesetze und Geschichten, so zusammenhanglos sie schienen, trotzdem tief und sinnvoll war, so mußte es auch sinnvoll sein, daß ihm Simeon gerade da gefällt worden war, als er sich am heißesten um Paulus bemühte.
Simeons Tod war eine Mahnung, daß er Simeon in Paulus solle auferstehen lassen.
Finster, mit doppeltem Eifer nahm er den Kampf um Paulus auf. Es war nicht wahr, was Dorion gesagt hatte, daß sein Sohn sich ihm weigerte. Obwohl sie gegen ihn gehetzt hatten, Dorion und Phineas, hatte Paulus ihn in Albanum nicht übersehen, war nicht an ihm vorbeigefahren. Es waren nur diese beiden, die seinen Sohn von ihm abhielten. Wenn es ihm gelang, ihre Hände von Paulus zu lösen, dann gehörte er ihm.
Zunächst galt es den Kampf vor den Gerichten. Marull war ein guter Sachwalter. Josef gefiel ihm. Das Unglück mit dem Jungen hatte dem Manne den Hochmut abgekratzt, und was darunter zum Vorschein kam, schien dem experimentierlustigen Römer reizvoll. Im allgemeinen, fand Marull, tötete scharfer Verstand die Leidenschaft; dieser Josef aber war verständig und leidenschaftlich zugleich, eine seltene Mischung. Marull warf sich mit ganzer Kraft in den Streit um Paulus.
Er setzte Josef auseinander, wie es um seine prozessualen Aussichten bestellt war. Zuständig sowohl für die Scheidungs- wie für die Adoptionssache war das Hundertgericht. Präsident dieses Gerichts war der Senator Arulen, Großrichter des Reichs. Er gehörte der republikanisch-konservativen Opposition an und neigte vermutlich dazu, dem Josef den Jungen abzusprechen. Allein gerade weil er politisch festgelegt war, mußte er in seinen Entscheidungen doppelt vorsichtig sein, um sich nicht einer Korrektur durch die Kronjuristen auszusetzen. Alles hing davon ab, welche Politik jetzt, nach dem Sturz der Berenike, Titus den Juden gegenüber einschlug. Er hatte zwar in der letzten Zeit den Judenfeinden manches durchgehen lassen, andernteils hatte ihn der Gouverneur Flavius Silva noch immer nicht dazu vermocht, das von ihm so sehr ersehnte Edikt gegen die Beschneidung zu erlassen. Auch hielt Titus den König Agrippa nach wie vor hoch in Ehren und hatte gerade in letzter Zeit den jüdischen Feldmarschall Tiber Alexander besonders
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