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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ausschließlich in den Händen der Doktoren von Jabne; denn nur die dortige Hochschule war von den Römern anerkannt. Doch infolge der Strenge des neuen Großdoktors Gamaliel zogen sich manche der Doktoren grollend nach Lud zurück, und es sammelten sich Schüler um sie, trotzdem sie nicht graduiert werden konnten. Die Stadt Lud wurde allmählich zum Zentrum aller jener, die hellenistischen oder minäischen Lehrmeinungen anhingen.
      Derjenige unter diesen rebellierenden Doktoren, von dem man am meisten sprach, war der junge Jannai, genannt der Acher, »der Andere«, »der Abtrünnige«. Einziger Sohn einer reichen Familie aus altem Priesteradel, sehr begabt, hatte er schon als Student die Aufmerksamkeit des Kollegiums auf sich gelenkt und seine Prüfung mit höchster Auszeichnung bestanden. Sehr bald darauf aber hatte der Fünfundzwanzigjährige sich von der Lehre der Doktoren losgesagt, die Laufbahn aufgegeben, die breit und sicher vor ihm lag, und jetzt sah man ihn mit einigen Genossen, älteren und jüngeren, in Lud herumgehen, die Bräuche und Gebote der Doktoren durch Wort und Tat verhöhnend. Sein vielfältiges Wissen, seine elegante Beredsamkeit, das Hell und Dunkle seiner Gottesanschauung blendete viele. Er hatte in griechischer Sprache eine Dichtung über das Jüngste Gericht geschrieben, er hatte sie nur in wenigen Exemplaren veröffentlicht, aber diejenigen, die sie kannten, waren von den aufregenden, vieldeutigen Versen tief angerührt. Sie zitierten mit Ehrfurcht, Grauen und Bewunderung vor allem jene dunklen, ketzerischen Strophen, in denen die Weltangst vor dem Jüngsten Gericht geschildert war und die in den Zweifel mündeten: »Wenn der Messias wirklich kommt, wer weiß, ob nach soviel Qualen das Menschengeschlecht noch die Kraft haben wird, ihn zu empfangen?« Jabne lud den jungen Doktor vor das geistliche Gericht, er erschien nicht. Man verbot seine Dichtung und tat ihn selber in Bann. Der Großdoktor Gamaliel strich mit eigener Hand seinen Namen von der Tafel der Doktoren, der er ihn vor kurzem beigefügt hatte, und belegte ihn mit einem neuen Namen, eben dem Namen Acher, »der Andere«, »der Ketzer«. Allein Jannai nannte fortan sich selber und ließ sich von den andern mit Stolz bei diesem Namen nennen, und nach wie vor flogen die Herzen der Jugend ihm zu.
      Josef wußte von dem Acher, daß dieser die Einfachheit der Gläubigen, die strenge Methode der Doktoren und die Schönheit griechischer Bildung zu vereinigen suchte. Er hatte eine der wenigen Abschriften seiner Dichtung gelesen, und sosehr er aller Mystik abhold war, dem dunkeln Glanz dieser Verse konnte er sich nicht entziehen. Unter den Doktoren der Stadt Lud war der Acher der erste, den Josef aufsuchte.
      Doktor Jannai empfing ihn erfreut, interessiert, ein wenig spöttisch. Er sprach griechisch, langsam, aber gewählt, offenkundig erstaunt über Josefs schlechten Akzent. Er war etwas zu füllig für seine Jahre, die Stirn baute sich breit und massig über kleinen Augen. Er hatte über einem fleischigen Mund eine platte Nase; aber er hatte rasche, ja hitzige Bewegungen, er konnte nicht stillsitzen und gestikulierte viel mit auffallend schmalen Händen.
      Josef sah bald, daß der junge, leidenschaftliche, beredte Mensch in Alexandrien oder in Rom auch unter den Juden viele Gleichgesinnte gefunden hätte, die ihn gern als ihren Führer anerkannt hätten. Er fragte ihn geradezu, warum er denn in der kleinen Provinzstadt bleibe, in dem besiegten Land, verachtet von den Siegern, geächtet von den Besiegten. Der Acher zerdehnte das massige Gesicht zu einem langsamen Lächeln. »Ich will es mir nicht leicht machen, Doktor Josef«, sagte er. »Unter Römern und Griechen ein Weltbürger zu sein, scheint mir kein großes Verdienst: ich möchte als Jude unter Juden ein Weltbürger bleiben. Das haben die Leute nicht gern, das verzeihen sie einem nicht. Aber sehen Sie, Doktor Josef, erst wenn ich das aushalte, dann erst, finde ich, habe ich mich bewährt.«
      Später sprach er von der Aufnahme der Bücher Hoheslied und Kohelet in den Kanon der Heiligen Schrift; seit zehn Jahren konnte sich das Doktorenkollegium in Jabne darüber nicht schlüssig werden. Es ergab sich, daß der Acher gleich Josef unter allen Büchern der Schrift den Kohelet am meisten liebte. Er sprach davon, wie die Siebzig in ihrer griechischen Übersetzung die edeln Verse des Originals banalisiert hätten, und sagte die oder jene Stelle in seinem eigenen Griechisch

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