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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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persönlich. Bisher habe ich nur das Vergnügen mit Ihrem Herrn Verwalter gehabt. Ein unausstehlicher Herr, Ihr Herr Verwalter. Liegt mir immer in den Ohren mit seiner verdammten Wasserleitung. Freut mich, einmal auch Sie kennenzulernen. Das heißt, eigentlich kennen wir uns ja vom Sehen, aus dem Krieg her. Erinnern sich aber wohl nicht gerne daran. Man hat mir gesagt, daß Sie in Ihrem Buch, um das sie soviel Lärm machen, den Hauptmann Pedan mit keiner Silbe erwähnen. Werden schon wissen, warum. Ich und der Walfisch, wir können’s uns auch denken. Ich kann es verschmerzen. War nie ein großer Freund von Büchern. Am Wort läßt sich drehen und deuteln. Auf die Tat kommt es an, nicht wahr? Die bleibt.
      Kommen mir, offen gestanden, im Augenblick nicht sehr gelegen. Man hat seine Sechzig auf dem Buckel, wer weiß, wie lange man es noch treibt. Bei so einer Messe will man sein Teil mitnehmen. Man will ausprobieren, Weine, Mädchen. Habe mir da eine Leibeigene reservieren lassen, unverschämt teuer, aber ich glaube, ich werde sie doch kaufen. Ich sage Ihnen, ein Rücken, erstklassig. Übrigens eine Landsmännin von Ihnen.
      Setzen Sie sich. Lassen Sie sich anschauen. Haben sich nicht viel verändert, soweit ich mich an Ihr Gesicht erinnere. Wir haben es beide inzwischen zu allerhand gebracht. Ich wenigstens lebe hier angesehen und bequem. Man ist Herr im Land, und es tut wohl, zu wissen, daß man selber sein gut Teil zu dieser Herrenhaftigkeit beigetragen hat. Aber jetzt erzählen Sie, Flavius Josephus. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich das da wieder einmal anschauen?«
      »Das da«, sagte der Mann. Konnte man sich frecheren Hohn vorstellen? Das da hatten die Soldaten den Tempel genannt, das Weiß und Goldene, das sich so lange stolz und unerreichbar vor ihnen gehoben hatte. Die Gier, das da herunterzureißen und unter ihre Stiefel zu treten, hatte sie halbverrückt gemacht, und schließlich hatte die rote, plumpe Hand dieses Hauptmanns Pedan das da wirklich heruntergerissen.
      Josef sah auf die Hand. Sie war breit, bläulichrot, mit vielen weißlichblonden Härchen, häßlich, ungeschlacht. Aber lebendig war sie, die Hand; sicher verstand sie auch heute noch, gut zu packen und gut zuzuschlagen. Josef betrachtete den Mann, der zu der Hand gehörte. Der Mann ging vor ihm auf und ab, breit, sich wiegend, vierschrötig, mit nacktem, rotem Gesicht, das Haar blond, stark angegraut.
      Er trug nur das Unterkleid, vielleicht kam er gerade aus einer Umarmung. Pedan, der Träger des Graskranzes, der höchsten Auszeichnung, die ein Soldat erringen konnte, durfte es sich leisten, ihn so zu empfangen; er hätte wohl den Gouverneur selber so empfangen. Er hielt sich für den ersten Mann der Provinz, vielleicht war er es auch. Die geheimnisvolle Furchtbarkeit, die seit dem Krieg um ihn war, zeichnete ihn noch mehr aus als der Graskranz; denn trotz des Freispruchs vor dem Kriegsgericht wußte alle Welt, daß er es war, der die
    Brandfackel in den Tempel geworfen hatte.
      So also ging Pedan seit zehn Jahren hier im Land herum und sonnte sich frech in jenem Feuer. Wie ertrugen die Juden in Emmaus, Gazara, Lud den Anblick dieser Hand, dieses nackten Gesichts, das Gequäk dieses Mundes? Wie konnte er selber, Josef, es ertragen?
      »Soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, Hauptmann Pedan«, sagte er und bemühte sich, kalt zu sprechen, »scheint mir hier die Gegend fruchtbar und das Klima gut. Unsere Besitzungen, die Ihren und die meinen, scheinen zu gedeihen. Sie könnten freilich, sagt mir mein Verwalter, noch besser gedeihen, wenn endlich die Frage der Wasserleitung vernünftig geregelt würde.«
      Der berühmte Zenturio der Fünften lachte hell, schallend. »Da hat Ihr Herr Verwalter wahrscheinlich recht, Flavius Josephus«, sagte er gemütlich. »Aber sehen Sie, ich will nicht, daß die Frage der Wasserleitung vernünftig geregelt wird. Ich hätte dabei zu gewinnen, stimmt. Aber Ihr famoser Herr Verwalter hätte noch mehr zu gewinnen. Und, denken Sie an, das paßt mir nicht.« Er blinzelte Josef aus seinem lebendigen, blauen Auge zu, groß und drohend starrte das gläserne; Kritias hatte es angefertigt, der beste jener Spezialisten, die den Statuen Augen einpaßten. »Man hat mir gesagt«, fuhr er fort, »Sie verstünden einiges vom römischen Kriegswesen, mein Flavius Josephus: aber den Hauptmann Pedan scheinen Sie nicht zu verstehen. Der alte Kaiser Vespasian und der Walfisch haben mich mehrmals

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