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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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es Ihnen geglückt, gleichzeitig Römer und Jude zu sein, und wenn wir alle glaubten, jetzt könnten Sie nicht mehr aus, jetzt müßten Sie sich festlegen, dann fanden Sie noch immer eine Möglichkeit, auf beiden Schultern zu tragen. Aber wenn Sie jetzt zu Schiff gehen, um nach Rom zu fahren, dann, fürchte ich, ist das Ihre letzte Entscheidung, eine endgültige. Ziehen Sie es vor, griechischer Schriftsteller zu sein oder jüdischer? Sollen die Späteren Sie den Geschichtsschreiber des jüdischen Volkes nennen oder den des Palatin?«
      Gamaliel sprach dringlich, werbend, und er hatte den rechten Ton getroffen, Josef war sehr gelockt. Das Land zog ihn an, die Menschen, das Geschäft, das dieser ihm anbot, der Mann selber, seine Jugend, seine Kraft, seine schlaue Gradheit, sein Schweigen, sein Reden. Es war reizvoll, Seite an Seite mit diesem Manne die öffentlichen Dinge der Juden zu ordnen. Aber war es nicht besser, statt im kleinen Geschichte der Juden zu machen, im großen Geschichte der Juden zu schreiben?
      Gamaliel merkte, daß jedes Wort weiter seine Rede nur abschwächen werde. Er drängte nicht auf Antwort. »Überdenken Sie meinen Vorschlag in Ruhe«, schloß er. »Sie haben Zeit, bis der Winter kommt und die Schiffahrt schließt.«

    Bevor der Großdoktor dem Kollegium die Forderung Roms amtlich mitteilte, berief er jene von den Doktoren zu sich, die als Freunde der Minäer galten, um mit ihnen zu beraten.
      Bestürzt saßen Ben Ismael und seine Freunde in Gamaliels Studierzimmer. Sogleich erkannten sie, worum es ging, daß man, wenn man sich schützend vor die Minäer und ihre Wanderprediger stellte, neue Bedrückung Israels durch Rom heraufbeschwor. Sie sahen sich an, sie sahen den Großdoktor an, sie wußten keinen Rat.
      Schließlich mußte Gamaliel selber den Niedergeschlagenen Mut zusprechen. Ihm liege alles daran, erklärte er, eine Spaltung der Judenheit zu vermeiden. Fürs erste müßten natürlich die Christen, um Rom nicht weiter zu reizen, ihre nach dem Beschneidungsverbot doppelt gefährliche Propaganda unter den Nichtjuden aufgeben. Falls sie das täten, sehe er eine schwache Möglichkeit, sie weiter in der Gemeinschaft zu halten. Wenn auch manchmal unter ihnen Ansichten laut würden, die hart an »Leugnung des Prinzips« streiften, so wichen doch die meisten der Minäer nur in geringfügigen Punkten von der Lehre Jahves ab. Ihm scheine es das beste, die Führer der Minäer disputierten öffentlich und in Ruhe mit den Doktoren über die strittigen Fragen. Er hoffe sehr, eine solche Disputation werde dem Kollegium die gutachtliche Erklärung ermöglichen, die Christen gehörten der jüdischen Gemeinschaft an.
      Selbst diejenigen unter den Doktoren, die Gamaliel trotz seiner bisherigen Neutralität für einen stillen Feind der Minäer hielten, mußten zugeben, daß sein Angebot außerordentlich fair war. Die Christen selber gestanden zu, daß in ihren Lehrmeinungen viel Wirrwarr sei. Eine Disputation, wie Gamaliel sie vorschlug, erlaubte den Führern der Minäer, ihre Glaubensgrundsätze, ohne Preisgabe des Wesentlichen, den Dogmen der Doktoren anzupassen. Der Vorschlag des Großdoktors wies den Christen einen Ausweg aus der bedrängten Lage, er legte großmütig die Entscheidung, ob sie künftighin in der Gemeinschaft bleiben wollten, in ihre eigene Hand. Die minäerfreundlichen Doktoren priesen die Weisheit und Milde Gamaliels, stimmten zu.
      Doktor Ben Ismael übernahm es, dem Wundertäter Jakob aus dem Dorfe Sekanja als dem anerkannten Führer der Minäer in den Bezirken Lud und Jabne den Vorschlag des Großdoktors zu übermitteln. Es geschah, was Ben Ismael im geheimen gefürchtet hatte. Jakob lehnte, ohne auch nur eine Minute zu überlegen, das Angebot ab. Sein glattes, sachliches Bankiergesicht rötete sich ein wenig, er blieb ruhig, aber es war eine erkämpfte Ruhe.
      »Wir rufen unsere Wanderprediger nicht zurück«, führte er aus. »Dies wäre für uns das schlimmste Verbrechen, in Wahrheit, ›Leugnung des Prinzips‹. Denn uns bleibt Jahve der Gott nicht nur Israels, sondern der ganzen Welt, und wir lassen es uns nicht nehmen, seine Lehre, wie er es uns aufgetragen, unter den Heiden zu verbreiten, auch wenn die Römer die Beschneidung verboten haben. Wir verkünden unsern Glauben, wir freuen uns, wenn immer mehr Menschen ihn annehmen, denn wir haben an uns selber die Erfahrung gemacht, daß dieser Glaube ein großer Trost und daß, wer in ihm lebt, geborgen

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