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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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jüdischer und jünger zugleich; so war er vor ihr gestanden in Alexandrien, als sie ihn zum erstenmal sah, und das Verlangen, das sie damals zu ihm hingezogen, schlug von neuem in ihr hoch. Sie hatte bemerkt, daß, nach Beendigung der Vorlesung, Josef sich in ihre Nähe zu drängen suchte, aber, ängstlich vor der Begegnung, hatte sie seinen Blick beharrlich vermieden und ihm keine Möglichkeit gegeben, sie anzusprechen. Seither war sie wieder reizbarer gegen Annius, und mit dem frühesten Frühjahr drängte sie darauf, Rom zu verlassen und nach Albanum zurückzukehren.
      Annius, anläßlich ihres Wiedereinzugs in Albanum, brachte ihr ein Geschenk für ihren Salon: eine Figur aus korinthischer Bronze, bestimmt, als Leuchter zu dienen, die Statuette eines nackten, beschnittenen Juden. Die Arbeit war zierlich, frech, ein klein wenig obszön, ein Kunstwerk, wie es Damen gern in ihren Räumen aufstellten; es stammte aus der Werkstatt des Thermos, des großen Rivalen des Basil. Annius war erstaunt, als Dorion ihm für dieses Geschenk nicht nur nicht dankte, sondern ihm seine Geschmacklosigkeit heftig vorwarf. Er pflegte über solche Ausbrüche mit einem Witzwort wegzugleiten; diesmal ärgerte er sich. Er sagte ihr auf den Kopf zu, sie hänge noch immer an Josef. Sie erwiderte, Josef habe gewisse Eigenschaften, um die mancher Mann ihn beneiden sollte. In der Tat hatte sie begonnen, Annius mit den Augen des Josef zu sehen; seine Freundschaft mit dem künftigen Kaiser, seine militärische Begabung, seine sichere Aussicht, die Armeen des Reiches zu kommandieren, ließen sie kalt, seine laute, herzhafte Jovialität und seine soldatische Derbheit machten sie nervös. Es kam zu unangenehmen Charakteranalysen von beiden Seiten. Annius hielt sich mehrere Tage von Dorion fern.
      Der Knabe Paulus fragte nicht nach den Gründen, aus denen Annius auf einmal wegblieb. Es war nie ganz leicht gewesen, dem Jungen näherzukommen, aber Dorion kannte ihn, sie wußte, daß er, seitdem Josef ihn ihr zurückgegeben hatte, nicht mehr so kritiklos an ihr hing wie früher. Sie selber liebte ihn nach wie vor zärtlich, doch ihr Benehmen zu ihm schwankte mit ihrem schwankenden Gefühl gegen Josef. Bald überschüttete sie ihn ohne sichtbaren Anlaß mit Beweisen ihrer Mütterlichkeit, bald, wenn er nach ihr verlangte, sperrte sie sich vor ihm zu. Sie wußte um diese ihre Sprunghaftigkeit, es verdroß sie, wenn sie zu dem Jungen kalt war, aber sie konnte sich nicht zähmen. Sie wußte auch, wie sehr Paulus unter ihren unklaren Beziehungen zu Annius litt. Die Prozesse um ihn herum, das Aufsehen, das er erregt hatte, hatten ihn für alles Zweideutige empfindlich gemacht. Sie wußte, wie brennend er, durch die Adoption Vollrömer geworden, wünschte, auch eine Vollrömerin zur Mutter zu haben. Sie wußte, wie zufrieden er Annius als Vater begrüßt hätte, seine Mannhaftigkeit, das Militärische an ihm sagten ihm zu, und er freute sich daran, selber so bald als möglich ins Heer einzutreten.
      Dies alles bedachte Dorion in den Tagen, da Annius sich von ihr fernhielt; auch schien ihr, daß es dem Josef eine Genugtuung sein müßte, wenn es auch zwischen Annius und ihr zu einem endgültigen Bruch käme. Sie schrieb dem Annius einen kleinen, scherzhaften Brief, den er, wenn er wollte, für eine Entschuldigung nehmen konnte.
      Als er wieder nach Albanum kam, hatte sie den Leuchter aufgestellt.

    In Paulus selber hatte der Verzicht des Josef einen großen Umsturz bewirkt. Bisher hatte er für alle Dinge der Welt einen unbedingten Maßstab gehabt: das Urteil seines Lehrers Phineas. Die Tat seines Vaters bewies, daß Phineas diesem Mann unrecht getan hatte. Der Junge verehrte seinen Lehrer noch weiter, aber er war ihm nicht mehr das große, letzte Orakel. Es war ihm auch jetzt nicht angenehm, daß seine Mutter und Phineas für das hochanständige Benehmen seines Vaters so wenig Anerkennung übrig hatten. Man hätte sich nichts vergeben, wenn man, zum Beispiel, manchmal mit ihm zusammengekommen wäre.
      Er war deshalb froh überrascht, als einmal, bei Tische, in Gegenwart des Phineas, Dorion ihn unvermittelt fragte, ob er keine Lust habe, seinen Vater wiederzusehen. Der sonst so beherrschte Phineas legte die Speise, die er gerade zum Mund führen wollte, auf den Teller zurück, sein großer, blasser Kopf erblaßte noch tiefer; Dorion hatte ihm nichts von ihrem Entschluß mitgeteilt. Paulus sah von seiner Mutter zu seinem Lehrer, beide warteten

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