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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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als der neue Herr sie verließ. Sie mußten bis zum Aufgang der Sonne warten, ehe die Sitzung beginnen konnte. Und was sollte man dann beschließen? Bübchen machte sich das Vergnügen, sie im unklaren zu halten. Es war noch lange vor dem Morgen, sie fühlten sich frostig und übermüdet, und es waren zu wenig Sitzgelegenheiten da. Manche hockten auf dem Boden nieder oder streckten sich aus, um ein wenig zu dösen.
      Endlich erschien Annius Bassus und unterrichtete sie, der Kaiser erwarte, der Senat werde seinen Bruder in der gleichen Weise ehren wie seinen Vater. Jetzt wußte man wenigstens Bescheid, und man durfte die Augen zumachen, bis die Sitzung beginnen wird. Aber an diese Nacht wird man noch lange denken.

    Domitian indes hatte sich allein mit seinem Zwerg Silen in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen. Der Zwerg, in steife, schwere, rote Seide gekleidet, hockte in seinem Winkel. Mögen sie jetzt glauben, ich spieße Fliegen auf, dachte Domitian, grimmig vergnügt, schnalzte mit der Zunge, ging auf und ab. Der Zwerg tat ihm nach, schnalzte, ging auf und ab.
      Domitian hatte Weisung gegeben, die Nacht hindurch außer Lucia und Flavius Josephus niemanden vorzulassen. Er wollte die Nachricht vom Tod des Titus und die Bestätigung seiner Herrschaft aus keines andern Munde haben als aus dem eines dieser beiden. Am Hause des Josef hatte er einen Kurier postiert, der ihn sogleich nach seiner Rückkehr zum Palatin führen sollte, und er wettete mit sich selber, wer als erster ihm die Nachricht bringen werde, Lucia oder Josef. Bringt sie Lucia, ist es ein gutes, bringt sie Josef, ein schlechtes Zeichen.
      Eine Stunde vor Tag kam Lucia. »Er ist tot«, sagte sie. »Er hat kein leichtes Ende gehabt.« – »Ich bin Kaiser«, sagte Domitian, »ich bin Kaiser, Lucia.« Er lachte, die Stimme kippte ihm über, vor ihr ließ er sich gehen. »Wir sind Kaiser«, krähte der Zwerg ihm nach. Domitian schwamm in seinem Triumph: »Das war es, was ich mir zum Ziel genommen von jener Zeit an, da ich das Capitol gegen Vitell hielt. Es war ein steiler Weg, ich bin ihn ohne Krümmung gegangen, pfeilgerad aufwärts. Ich bin ihn deinetwegen gegangen, Lucia. Ich habe dich zur Kaiserin gemacht, wie ich es dir versprochen habe.« Lucia hatte sich gesetzt; die letzten Stunden des Titus, die nächtliche Reise nach Rom hatten sie mitgenommen, sie war sehr müde. Sie betrachtete den auf und ab rennenden Mann, gähnte. »Du solltest mehr Sport treiben, Bübchen«, sagte sie. »Beim Herkules, du kriegst einen Bauch.«
      »Du weißt nicht, wie das ist, Kaiser sein, Lucia«, sagte Domitian. »Du hättest sehen sollen, wie sie vor mir gekrochen sind.« – »Das ist nichts Neues, daß es in Rom nicht mehr viele Männer gibt«, sagte Lucia; es klang unangenehm sachverständig. »Im Senat gibt es nicht viele«, stimmte Domitian zu, halb mit Genugtuung, halb mit Ärger. »Ich werde jetzt schlafen gehen«, sagte Lucia, »ich bin sehr müde.« – »Bleib noch ein wenig«, bat Domitian. »Vor Sonnenaufgang können sie Titus nicht zum Gott und mich nicht zum Kaiser machen. Ich will noch ein paar von ihnen herkommen und tanzen lassen.« – »Das interessiert mich nicht«, sagte Lucia. »Aber es ist amüsant«, meinte Domitian, und »Bleib, meine Lucia«, bat er, beharrte er.
      Er ließ einige der Herren aus der Bibliothek herüberbitten. Steifbeinig, die Arme eckig nach hinten, den Bauch heraus, hielt er Cercle, ging leutselig von einem der sorgenvollen, um ihre Privilegien Bangenden zum andern. Machte literarische Konversation. »Haben Sie meinen Essay über die Glatzköpfe gelesen, mein Älian?« fragte er. Der Senator schaute den dünnbehaarten Kopf des neuen Herrschers an; er erinnerte sich dunkel des Essays, es war ein »Lob der Glatzköpfe«, im Stil modischen Humors, man wußte nicht recht, was war ernst gemeint, was spaßhaft. »Ja, Majestät«, erwiderte er zögernd; schon war er gewiß, daß Domitian ihn wieder werde hereinfallen lassen. »Was halten Sie davon?« fragte denn auch mit tückischer Höflichkeit der Kaiser. »Ich finde den Essay großartig«, entschloß sich Älian stürmisch zu erwidern, »ernst und spaßhaft zugleich. Ich habe über ihn Tränen gelacht und Tränen geweint.« – »Ich finde ihn erbärmlich«, konstatierte trocken Domitian. »Ich schäme mich im Zeitalter eines Silius Italicus, eines Statius, solches Zeugs geschrieben zu haben. Was halten Sie von Silius Italicus, mein Varus?« wandte er sich an den

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