Die Söhne.
lassen.
In großem Triumphzug geleitete man den Josef nach seinem Haus. »Was ist los?« fragten die Vorübergehenden. »Es ist der Schriftsteller Flavius Josephus«, antwortete man ihnen, »der Jude. Er hat ein neues Buch geschrieben. Der Kaiser hat ihm eine Million geschenkt und läßt ihm Denkmäler errichten. Es ist aus. Wir kriegen die Jüdin zur Kaiserin.«
Schon nach zwei Tagen lud der Bildhauer Basil den Josef ein mit ihm die Einzelheiten der zu modellierenden Ehrensäule zu besprechen. Josef war in großer Verwirrung. Soll er nicht doch die Ehrung ablehnen? Wie man es mit den Bräuchen halten sollte, das blieb ihm ein ständiges, stacheliges Problem. Es führten mehrere Wege zu Jahve; die Bräuche waren einer von diesen Wegen. Josef selber hat die Bräuche nicht nötig, er hat seinen eigenen Weg zu Gott gefunden. Aber für die große Masse sind sie notwendig. Und jetzt gar, nachdem der Staat nicht mehr da ist, gibt es, will sich einer zu diesem geistigen Prinzip »Judentum« bekennen, schwerlich ein anderes Mittel als die Bräuche. Bildwerk irgendwelcher Art um sich zu dulden ist überdies mehr als die Verletzung irgendeines der vielen Verbote, es ist die Verleugnung des geistigen Urprinzips, des unsichtbaren Gottes.
Ist es denn überhaupt möglich, die Ehrung zurückzuweisen? Es ist möglich. Er könnte zum Beispiel erklären, er fühle sich dieser Ehrung erst dann würdig, wenn er ein zweites, größeres Werk vollendet habe. Dies bedeutete ein Opfer, einen ungeheu ren Verzicht. Und selbst wenn er sich entschließen sollte, das Opfer auf sich zu nehmen, durfte er es denn? Bedeutete nicht ein solcher Verzicht zugleich eine Schädigung der gesamten Judenheit?
Josef fragte den Claudius Regin um Rat. Der Verleger schaute ihn auf und ab aus seinen schweren, schläfrigen Augen, seine dicken, schlechtrasierten Lippen lächelten. Er wußte, Josefs Herz hing an dieser Ehrung, er wußte, Josef will nur, daß man ihm zurede. Aber er machte sich den Spaß, ihm nicht zuzureden, er ließ ihn zappeln. Gewiß wäre es ein Schaden für die Judenheit, meinte er mundfaul, wenn Josef die Ehrung ablehnte. Aber die Juden hätten schon so viel überstanden, die Zerstörung des Tempels zum Beispiel; sie würden vielleicht auch die Nichtaufstellung der Säule überstehen. Josef bat ihn, ernsthaft zu reden. Es gebe gewisse Handlungen des Josef, erwiderte Regin, die er selber nicht getan haben möchte. Ob es aber wesentlich sei, von den dreihundertfünfundsechzig Verboten der Schrift, die die Doktoren ausgeklügelt hätten, einhundertachtundsiebzig zu übertreten oder einhunderteinundachtzig, und welche von diesen dreihundertfünfundsechzig Verboten stärker wiegen und wieviel Unzen stärker, darüber nachzudenken stehe einem Doktor der Tempeluniversität von Jerusalem wie dem Josef besser an als einem vielbeschäftigten Finanzmann. Auf diesem Gebiet sei Josef selber auch zweifellos sachverständiger als er, und er müsse diese Frage schon mit sich allein bereinigen. Im übrigen freue er sich, ihm berichten zu können, daß die Neufassung des »Jüdischen Kriegs« ausgezeichnet gehe. Vor allem die jüdischen Besteller seien zahlreich. Er nehme an, das rühre daher, daß diese neue Fassung weniger, sagen wir: vorsichtig sei. Vielleicht gebe diese Tatsache dem Josef einen Fingerzeig.
Josef, sehr verärgert, ging zu Cajus Barzaarone. Hier fand er mehr Verständnis. »Wenn Sie mich fragen«, sagte der alte Möbelhändler, »so kann ich Sie nur auf mein eigenes Exempel hinweisen. Sie wissen, ich habe mich dazu verstanden, an dem von mir verfertigten Hausrat Tierfiguren als Ornamente anbringen zu lassen; sonst hätte mich die Konkurrenz überholt. Einige angesehene Doktoren haben mir freundliche Gutach ten ausgestellt und in meinem Fall die Fabrikation der Tierornamente für eine läßliche Sünde oder gar für erlaubt erklärt. Aber diese Konzessionen sind fragwürdig, darüber bin ich mir klar; schließlich heißt es in der Schrift eindeutig: ›Du sollst dir kein Bildnis machen.‹ Ich habe jedenfalls meinem alten Vater – das Andenken des Gerechten zum Guten – noch vor seinem Ende durch meinen Liberalismus viel Kummer gemacht, und manchmal sage ich mir, vielleicht war auch der Schiffbruch und Untergang meines ältesten Sohnes Cornel eine Strafe für meine Sünden. Ich versuche, meine Schuld gutzumachen. Für den Loskauf jüdischer Leibeigener habe ich dreimal mehr beigesteuert als den vorgeschriebenen Zehnten.
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