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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Trotzdem drückt mich der Zweifel, ob es erlaubt ist, Geld, selbst wenn man es für solche Zwecke verwendet, mit fragwürdigen Mitteln zu erwerben. Ihre Situation, Doktor Josef, ist noch ungünstiger. Eine Porträtbüste anfertigen zu lassen verstößt zweifellos gegen den Geist der Lehre. In Ihrem Fall werden die Doktoren von Jabne kaum Milderungsgründe finden.« – »Sie raten mir also ab?« fragte Josef. »Ich rate Ihnen zu«, erwiderte langsam Cajus Barzaarone, vor sich hin schauend. »Es ist im Interesse von uns allen. Sie haben schwere Sünden auf sich genommen, und sie waren weniger im Interesse von uns allen. Nehmen Sie die Ehrung an.« Er schaute ihm plötzlich voll ins Gesicht und sagte, unerwartet dringlich: »Aber zeigen Sie, daß Sie ein Jude sind. Lassen Sie endlich Ihren Jungen beschneiden, Doktor Josef.«
      Der Mann redete. Der Mann hatte leicht reden. Er wußte doch, daß Josef keine juristischen Möglichkeiten besaß, seinen Sohn ohne Dorions Zustimmung ins Judentum zu zwingen. Als hätte Cajus Barzaarone seine Gedanken erraten, fügte er hinzu: »Wenn Ihre Frau Sie liebt, wird sie kein Bedenken tragen, den Jungen nach Ihren Wünschen erziehen zu lassen.« Josef erwiderte nichts. Es war aussichtslos, dem andern klarzumachen, daß Dorion ihn liebte und es dennoch nicht zuließ, daß sein Sohn zum Juden wurde.
      Im Grunde freilich hat der Mann recht. Je mehr Josef Ben Matthias zum Flavius Josephus wird, um so mehr ist er verpflichtet, seinen Paulus zum Juden zu machen. Er wird die Ehrung annehmen, und er wird den Kampf um seinen Sohn von neuem beginnen. Wenn erst Berenike da ist, dann wird er vielleicht sogar durchsetzen können, daß die juristischen Hemmungen fallen und daß Paulus auch ohne Dorions Zustimmung zum Juden werden kann.

    Vorläufig aber kam nicht die Prinzessin Berenike, sondern es kam der Gouverneur der Provinz Judäa, Flavius Silva. Er brachte mit sich das Konzept eines Buches, das er über die Juden schreiben, und eine Denkschrift, die er dem Kaiser überreichen wollte. Nun Berenike in Rom erwartet wurde, hielt er es für ratsam, selber in der Hauptstadt zu sein, und er war glücklich, daß sich die Ankunft der Prinzessin so lange hinauszögerte.
      Der Gouverneur Flavius Silva war ein vergnügter, lärmender Herr, ein Vetter des Obersten Annius Bassus und diesem sehr ähnlich. Man hatte, nachdem die Generäle Cerealis und Lucil versagt hatten, ihn mit der Statthalterschaft der sehr schwierigen Provinz betraut, und er hatte sich in die Aufgabe verbissen, Judäa zu befrieden und zu romanisieren. Es verbarg sich hinter seinem lauten und jovialen Gehabe ein gut Teil harter, zäher Schlauheit.
      Das Land war verwüstet, die berühmte Stadt Jerusalem zerstört, ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung tot oder als Leibeigene verkauft. Der neue Gouverneur bemühte sich mit Erfolg, das Land neu zu besiedeln. Im Einvernehmen mit der Zentralregierung in Rom verteilte er Hunderttausende der jüdischen Bewohner seiner Provinz übers ganze Reich, erleichterte ihre Auswanderung, zog möglichst viele nichtjüdische Kolonisten nach Judäa. Baute eine ganze Reihe von zerstörten jüdischen Städten als griechisch-römische Siedlungen neu auf, gründete neue, die Stadt Flavisch Neapel zum Beispiel, und brachte sie rasch hoch. Neun Jahre nach der Zerstörung Jerusalems konnte er nach Rom melden, sein Neapel habe bereits vierzigtausend Einwohner, seine Hauptstadt, die Meerstadt Cäsarea, habe um sechzigtausend zugenommen.
      Flavius Silva war ein gerechter Mann, den Juden nicht abgeneigt. Aber er war Römer bis in die Knochen, dem Kai serhaus verwandt und fest entschlossen, römischen Frieden und römische Ordnung, wie sie Kaiser Vespasian dem ganzen Reich aufgezwungen, auch in seiner Provinz durchzusetzen. Er brachte seine Syrer zur Räson, wenn diese glaubten, sie könnten ungestraft die Juden schikanieren, aber er duldete es auch nicht, wenn die Juden seine Syrer und Griechen durch ihren albernen Religionseifer zu ihrem eigenen Glauben verleiten wollten. Rom war tolerant, der jüdische Glaube von Staats wegen erlaubt. Man hatte nach vielem Blutvergießen darauf verzichtet, die jüdische Bevölkerung zu zwingen, den Bildsäulen der konsekrierten Kaiser Reverenz zu erweisen. Hatte sogar aus Rücksicht auf die jüdische Bevölkerung die allwöchentlichen unentgeltlichen Getreidelieferungen in den Städten Alexandrien und Antiochien vom Sonnabend auf den Freitag verlegt. Wenn aber

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