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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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für eine kindliche Spielerei. Plötzlich, mitten in der nachlässigen Lektüre eines aufgeschlagenen Buches – es war einer jener modischen Papyrusbände zum Umblättern, wie sie Josef nicht leiden konnte, nicht eine der alten, soliden Pergamentrollen – setzten ihm Herz und Gedanken aus. War das nicht ...? Er blätterte nach vorn. Ja, das war der Kommentar des Apion.
      Ruhig bleiben, sagte sich Josef. Nicht durchgehen, vor dem Jungen keinen Zorn zeigen. Ich muß ihn hinausschmeißen. Nachdem er dies wagt, kann ich ihn nicht mehr schonen; es wäre Irrsinn. Aber gespannt bin ich, ob er sich erfrecht, das Buch dieses Hundes in meiner Gegenwart dem Jungen vorzusetzen. Josef konnte den Worten des Phineas nur noch mit Mühe folgen, seine heftigen Augen waren verschleiert vor Wut, er atmete mühsam. Aber er war gewiß, bis jetzt hatte Phineas den Apion noch nicht zitiert. Er sprach nichts, hörte zu, wartete.
      Der kluge Phineas hatte längst gemerkt, worum es ging. Seit seiner letzten Arbeit mit Josef rechnete er damit, daß der ihm einmal, bald, Dienst und Brot aufsagen werde. Es kümmerte ihn wenig; er war bedürfnislos, und das Gesetz zwang Josef, seinem Freigelassenen das Existenzminimum zu geben. Leid freilich wäre es dem Phineas, wenn man ihn des Einflusses auf den Knaben beraubte, den er liebgewonnen hat. Aber er denkt nicht daran, aus solchen Gründen sein Griechentum und seine griechische Wahrheit zu verleugnen.
      Gleichmütig also, es mochte eine kleine halbe Stunde sein, seitdem Josef im Zimmer war, sagte er: »Apion meint dazu«, und er greift nach dem Buch und beginnt daraus zu zitieren. Josef unterbricht ihn. »Wollen Sie wirklich dem Jungen diesen Kommentar beibringen?« fragt er. »Meinem Jungen?« Seine Stimme ist heiser, er preßt sie, um nicht heftig zu werden, er spricht leise, aber eine Welt von Empörung liegt in diesem »meinen«. »Finden Sie den Homer-Kommentar des Apion nicht gut?« fragte gelassen Phineas zurück, während Paulus neugierig, erstaunt, von einem zum andern schaut. »Aber darüber brauche ich mit dem Schriftsteller Flavius Josephus nicht zu diskutieren«, fährt er verbindlich fort. »Wissen Sie einen zweiten, der so gute Worte gefunden hätte zum Lob des Schriftstellers wie dieser Apion? Ist Ihnen aufgefallen, daß der Senator Marull in der Lobrede vor Ihrer Büste unversehens auf Worte des Apion zurückgriff? Ich glaube, es gibt schwerlich ein besseres Mittel, unserem Paulus« – er betonte ganz leise das »unserem« – »beizubringen, wie hoch und edel der Beruf seines Vaters ist.«
      Er hatte das Buch wieder auf den Tisch gelegt. Josef, unwillkürlich, packte es; er pflegte sorgsam mit Geschriebenem umzugehen, doch er konnte sich nicht zähmen, er packte es so heftig, daß es beschädigt wurde. Aber immer noch preßte er die Stimme und wurde nicht laut. »Und Sie geben wirklich«, sagte er, »dem Jungen den schmutzigen Unsinn zu lesen, den dieser Ägypter über das Volk seines Vaters auskübelt?« Während er das sagte, dachte er: Jetzt ist es soweit, jetzt schmeiße ich ihn hinaus. Aber ich muß es ruhig tun, ohne Heftigkeit. Dabei ist es ein Jammer, daß er nicht den Kosmopolitischen Psalm übersetzt. Ein guter Lehrer ist er auch. Schade, daß er so tückisch ist. Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und ich bin einer von ihnen. Aber das Ohr meines Jungen habe ich nicht. Er hat es. Und er vergiftet meinen Jungen, er stiehlt ihn mir für immer, er macht ihn mir schmutzig mit dem Dreck dieses aussätzigen, ägyptischen Hundes. Und ich schmeiß ihn hinaus.
      Der sehr große, blasse Kopf des Phineas war noch blutloser geworden. Aber seine Stimme blieb gelassen, elegant und kalt wie immer, als er erwiderte: »Ich weiß nicht, ob ich die judenfeindlichen Sätze in dem Homer-Kommentar überschlagen hätte, sie sind nicht wichtig. Aber das muß ich sagen: ich hatte die Absicht, in zwei oder in drei Jahren mit unserem Paulus die Schrift des Apion ›Gegen die Juden‹ zu lesen und auch die ›Ägyptische Geschichte‹ des Priesters Manetho.« Dies waren die erbittertsten judenfeindlichen Schriften, die die Epoche kannte.
      Ruhig bleiben, sagte sich Josef. »Lest ihr in der Schule auch den Kommentar des Apion?« wandte er sich an Paulus. Seine Stimme klang beherrscht. Trotzdem war ein solcher Grimm in ihr, daß Paulus aufstand und sich – war es eine Flucht oder ein Bekenntnis? – neben Phineas stellte. »Ja«, antwortete, da er schwieg, für

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