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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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davon wußte er nichts, und Paulus sagte ihm nichts. Selbst in diesen Tagen, da Dorions Worte hart in ihm nachklangen, ahnte er nichts von dem Hin und Her im Herzen seines Sohnes.
      Einmal in dieser Zeit traf er Paulus unvermutet auf dem Marsfeld. Der Junge kutschierte sein Ziegengespann. Josef freute sich der Gelegenheit. Er selber war in seiner Sänfte, er schlug Paulus einen Wettlauf vor, wer eher zu Hause sei, der mit seinen Ziegen oder er mit seinen geübten kappadokischen Sänftenträgern, und er war fast ebenso stolz wie Paulus, als dieser einen kleinen Vorsprung hatte.
      Er forderte seinen Sohn auf, mit in sein Arbeitszimmer zu kommen. Das tat er selten, und es war eine große Ehrung für den Jungen. Vater und Sohn schwatzten. In guter Haltung saß der anmutige, kräftige Knabe seinem Vater gegenüber, beglänzt von einem Streif der starken, schräg einfallenden Sommernachmittagssonne. Wieder verglich Josef im Geiste den Sohn der Mara mit dem Sohn der Dorion, und sein jüdischer Sohn erschien ihm plump.
      Er fragte und erfuhr, daß Paulus jetzt die Odyssee las, in der Schule sowohl wie mit Phineas, und zwar den fünfzehnten Gesang. Josef selber hatte in Rom mit heißem Bemühen seinen Homer studiert. Gutmütig jetzt, ungewohnt täppisch und gleichzeitig stolz zitierte er Paulus ein paar Verse. Der Junge hörte höflich zu. Ungefüg kamen die edlen griechischen Laute aus dem Munde des Vaters. Sie waren Barbaren, die Juden, sie verhunzten das Griechische durch ihren Akzent; gewiß, wenn sein Vater ein Barbar war, dann durfte man stolz darauf sein, zu den Barbaren zu gehören, aber Paulus konnte trotzdem, als sein Vater zu Ende war, der Versuchung nicht widerstehen, seinesteils ein paar Verse zu zitieren in der einwandfreien Aussprache und in dem elegant modischen Tonfall, halb Prosa, halb Gesang, wie er ihn von Phineas erlernt hatte. Josef, keineswegs gekränkt, hörte erfreut, wie wohllautend die schönen Zeilen aus dem Munde seines Jungen kamen. Sein Griechisch kann er, dieser Phineas. Wie stolz war er selber auf sein Griechisch gewesen, damals, als er an dem MakkabäerBuch schrieb. Jetzt weiß er, wie erbärmlich es war. Phineas müßte den Kosmopolitischen Psalm übersetzen. Schade, daß er so tückisch ist.
      Der Junge sprach seine Verse weiter: »Siehe, so mußte auch ich das Land meiner Väter verlassen, und so ward ich ein Fremder und Flüchtling unter den Menschen.« Paulus war zu Ende, die Verse standen noch im Raum, Josef hatte nur ihren Klang gehört, jetzt überdachte er ihren Sinn, und sie schmeckten ihm bitter.
      »Mein griechischer Akzent ist nicht gut«, sagte er plötzlich, scheinbar ohne Zusammenhang, es klang wie eine Bitte und eine Entschuldigung. Er fragte sich, welchen Homer-Kommentar Phineas wohl benütze; es gab vier oder fünf sehr gute Kommentare, einer davon war voll von antisemitischen Ausfällen, es war der des Apion. Wenn er den des Apion benützt, dachte Josef, dann schmeiße ich ihn hinaus. Aber er wagte nicht, seinen Sohn zu fragen.
      Der, mittlerweile, mechanisch, formte in der Verborgenheit seines weiten Ärmels an dem Kitt, den er dort mit sich trug. »Was kramst du da?« fragte Josef. Der Junge hatte sich soeben im Stolz seines herrlichen Griechisch dem Vater überlegen gefühlt, jetzt errötete er tief. Josef lachte gutmütig, er lachte selten. In seinem Innern aber dachte er: Alles bringen sie ihm bei, wovon sie wissen, daß es mir verboten und verhaßt ist. Wenn er den Kommentar des Apion benützt, schmeiß ich ihn hinaus.

    Wenige Tage darauf ging er in das Zimmer des Paulus zur Zeit, da Phineas ihn unterrichtete. Er setzte sich still hin und hörte zu. Phineas ging gründlich vor, zergliederte die Verse, ging keiner Schwierigkeit aus dem Weg und machte doch gleichzeitig alles dem Kinde schmackhaft und verständlich. Josef war interessiert; Homer war den Griechen, was den Juden die Bibel war. Homer, das waren lauter hübsch gefärbte Lügen und Phantasien, aber man konnte viel Scharfsinn daran knüpfen, diese Phantasien zu kommentieren. Es war eine andere Methode, aber sie war eine gute Schulung. Es wäre amüsant, den Homer einmal kritisch zu beklopfen mit den Auslegungsmethoden, die man auf den jüdischen Hochschulen zur Kommentierung der Bibel anwandte. So hätte er dem Paulus den Homer beizubringen versucht. Schade, daß das nicht ging.
      Josef kramte in den Manuskripten, die auf dem Tisch lagen, lächelnd, mit dem Interesse eines Erwachsenen

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