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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihn Phineas, »auch in der Schule des Nikias lesen sie den Kommentar des Apion. Mit Recht. Ich hielte es für verfehlt«, fügte er hinzu, und seine grauen, klaren Augen schauten furchtlos wie die eines Naturforschers das nackte, heftige Gesicht des Josef auf und ab, »dem Jungen die Bücher des Manetho und Apion vorzuenthalten. Was diese Autoren über die Juden sagen, mag zu einem kleinen Teil richtig sein und zum größeren falsch – ich zum Beispiel halte es natürlich für unsinnig, zu unterstellen, daß Sie etwa jemals an der Schlachtung eines griechischen Knaben teilgenommen hätten –, aber es ist eine von vielen angenommene Meinung großer Männer, und man kann sie nicht einfach verschweigen. Es ist nicht meine Absicht, unsern Paulus so zu erziehen, daß er, wenn er einmal an das Studium des ›Jüdischen Kriegs‹ herankann, das Werk ohne Kritik liest. Er wird seine Vorzüge vielleicht doppelt schätzen, wenn er auch die Meinungen anderer kennt.«
      Vor diesem kühlen, höflichen Hohn zerbrach die mühsame Gelassenheit des Josef. »Sie haben mein Vertrauen tückisch mißbraucht, Phineas«, sagte er, »Sie sind ein Lump, Freigelassener Phineas«, und er legte das Buch des Apion zurück auf den Tisch, auffallend behutsam. Auch seine Stimme blieb leise, aber er konnte nicht verhindern, daß diese seine leise Stimme voll war von einem unendlichen Haß und daß sein Gesicht sich verzerrte. Was für einen Unsinn mache ich, dachte er. Wie kann ich in Gegenwart des Jungen solchen Unsinn machen? Sie sind ein Lump, habe ich gesagt. Es ist einfach verrückt, und hat nicht einmal einer in meiner Gegenwart von mir gesagt, daß ich ein Lump bin? Und schaut nicht Paulus zu? Ja, Paulus schaut mir ins Gesicht, Paulus hört meine Stimme, Paulus hat gelernt, daß ein Mann sich beherrschen muß und daß einer verächtlich ist, ein Barbar, wenn er sich nicht beherrscht. Ich bin verächtlich für Paulus, ich bin ein Barbar für Paulus. Jetzt habe ich selber eine Mauer zwischen mich und Paulus gestellt, eine riesige. Ich bin ein Narr. Und Phineas ist zwar ein Lump, aber der einzige, von dem Paulus seinen Homer annimmt, und der einzige, der den Psalm übersetzen könnte. Und wie stand er da im Friedenstempel, nach dem Vortrag des Dio, als er zu den Senatoren sprach. Ich bin ein Narr. Ich hätte mich nicht auf einen Streit mit ihm einlassen dürfen.
      Der Knabe hatte sich dicht neben seinen Lehrer gestellt; mit der einen Hand im Ärmel, nervös, knetete er heftig an einem Stückchen Kitt herum, mit der andern hatte er die des Phineas ergriffen. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute er blaß auf seinen Vater, der so alle Herrschaft über sich verloren hatte. »Sie waren mein Herr, Flavius Josephus«, sagte Phineas, »ich bin Ihr Freigelassener, ich bin Ihnen Gehorsam und Achtung schuldig nach dem Gesetz. Außerdem steht Zorn dem Manne schlecht an, das versuchte ich von jeher unserm Paulus beizubringen, und ich will nicht einer sein, der gegen seine eigenen Lehren handelt. Was soll ich Ihnen erwidern, Flavius Josephus? Ich glaube nicht, daß ich irgend jemandes Vertrauen mißbraucht habe. Leider haben Sie selber niemals mit mir über Paulus gesprochen, aber die Dame Dorion gab mir oft Gelegenheit, mich mit ihr über meine Lehrmethoden zu unterhalten. Sie billigt sie.«
      Auf dieses letzte, höllische Argument des Griechen wußte Josef nichts zu erwidern. Nein, er war dem Phineas nicht gewachsen. Sein Bild stand im Friedenstempel in korinthischem Erz, er hat ein Buch geschrieben, das Ost und West priesen, aber er wurde seines Freigelassenen nicht Herr, er war lächerlich und ein Narr in seinem eigenen Hause, es war ihm nicht gegeben, den Sohn, den er liebte, aus den Irrlehren des Griechen zu befreien. »Ich billige Ihre Lehrmethoden nicht, Phineas«, sagte er schließlich, trocken, es war ein verhältnismäßig guter Rückzug, seine Stimme verriet nichts von seinen bitteren, hilflosen Gedanken. »Ich wünsche Ihre Dienste nicht länger, weder als Erzieher meines Sohnes noch als Sekretär.« Er strich mehrmals glättend über das Buch des Apion, lächelte Paulus zu, der blaß dastand, sehr nah an seinem Lehrer, und ging.

    Am andern Tag erschien eine Zofe der Dorion und fragte förmlich im Auftrag ihrer Herrin, ob Josef die Dame Dorion empfangen wolle. Josef erwiderte: »Ja, natürlich«, aber er fühlte sich unbehaglich, unsicher.
      Und dann, sogleich, kam Dorion, kühl, höflich. Josef liebte es nicht, wenn sie die

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