Die Söhne.
hauchdünnen Kleider trug, die sie fürs Haus bevorzugte. Dennoch hätte er sie heute lieber in einem solchen Kleid gesehen als in der Besuchstracht, die sie angelegt hatte. Sie ging ohne Umschweife auf ihre Sache los. Der Ausbruch des Josef, die Art, wie er sich vor ihrem lieben Sohn habe gehenlassen, habe ihre Geduld ausgeschöpft. Phineas sei der ideale Erzieher des Jungen, ein Erzieher, den Paulus dringlich benötige. Sie wolle nicht länger mit einem Manne zusammen leben, der ihren Sohn des Erziehers beraube. Sie wisse, daß ein solches Argument dem Sittengericht nicht für die Scheidung genüge, wohl aber, darüber hätten ihre Freunde sie unterrichtet, sei die Tatsache, daß Josef seine frühere Konkubine mit ihrem Sohn habe nach Rom kommen lassen, für dieses Gericht ein zureichender Scheidungsgrund. Sie bitte ihn also, ihr binnen drei Tagen mitzuteilen, ob er gütlich in die Scheidung willige oder ob er sie zu einem Prozeß zwingen wolle.
Josef war hilflos erbittert. Er wußte, Dorions Ansinnen war nicht ernst gemeint, sie wollte ihn durch die Drohung mit der Scheidung lediglich nötigen, den Phineas zurückzurufen. Aber niemals bisher hatte sie so grobe Mittel angewandt. Überdies hatte sie ihren Freunden von der Sache erzählt, ihn durch die leidige Geschichte vor diesen Burschen bloßgestellt, vor dem unausstehlichen Annius, dem läppischen, senilen Valer, vor der ganzen widerwärtigen Clique. Dabei hatte sie doch selber ihn in die Sache mit Phineas hineingehetzt. Hat nicht sie ihn höhnisch aufgefordert, sich Paulus zurückzuholen? Finster jetzt, ohne sie zu unterbrechen, hörte er sie an, und als sie zu Ende war, nach einem kleinen Schweigen, sagte er trocken: »Schön, ich werde es mir überlegen.«
Noch ehe es Nacht war, bereute er. Überlegen. Unsinn. Er dachte doch nicht daran, sie aufzugeben. Was? Soll er sich von Dorion und Paulus trennen, weil ein Phineas den Apion und Manetho für gute Schriftsteller hält? Das war ihm doch längst bekannt. Und daß Phineas dem Paulus nicht die Bibel und die Propheten beibringt, sondern den Homer und den Apion, das hatte er sich doch auch von jeher an den Fingern abzählen können. Er wird zu bequem, er läßt sich immer mehr von seinem Trieb leiten statt von seiner Vernunft. Er muß kältere Bäder nehmen, dann wird er sich nicht mehr so leicht hinreißen lassen. Er hat sich unwürdig benommen. Sein in den Prinzipien der Stoa, der Selbstbeherrschung, erzogener Sohn wird ihm das nicht so leicht vergessen.
Er muß die ganze Geschichte einrenken.
Ohne sich lange zu besinnen, ohne sich melden zu lassen, geht er hinüber zu Dorion, klinkt die Tür auf. Er findet sie auf dem Ruhebett, ungeschminkt, aufgelöst in Wut und Tränen. Ihre Augen haben nichts mehr von ihrer hellen Wildheit, es sind trübe, schmollende Kinderaugen. Er setzt sich zu ihr, faßt sie um die Schulter, redet ihr gut zu.
Zwischen zwei Umarmungen treffen sie ein Abkommen. Es wird alles beim alten bleiben. Er nimmt die Verabschiedung des Phineas zurück. Sie redet nicht mehr von der Austreibung der Mara und sagt dem Phineas, er möge ihren Sohn mit der Lektüre des Apion und Manetho verschonen.
Die Prinzessin Berenike hatte in der kleinen Badehalle ihres Palais in Athen geschwommen, jetzt ließ sie sich von ihrem Masseur unter Aufsicht des Leibarztes salben und kneten. Wenn sie den Kopf zurücklegte, dann war die Haut ihres Halses glatt und edel; richtete sie aber den Kopf hoch, dann sah man trotz aller Schönheitspflege Fältchen.
Während Leibarzt, Masseur und Kammerfrau sich um sie beschäftigten, schwatzte sie mit ihrem Bruder, dem jüdischen Titularkönig Agrippa. Es war von frühester Jugend an zwischen den Geschwistern große Vertrautheit gewesen, vor ihm gab sie sich rückhaltlos, sie schämte sich nicht ihrer Nacktheit, sie befragte ihn sachlich, ob sie nicht schlaff und ältlich aussehe. Grünlich wässeriges Licht füllte das kellerartige Gewölbe des Schwimmbads und der Turnhalle, es war angenehm kühl. »Man sollte das Schwimmbad vergrößern lassen«, meinte Berenike, aber es klang zerstreut. »Warum nicht«, erwiderte ebenso zerstreut Agrippa. Die Geschwister, die reichsten Fürsten des Ostens, waren in der ganzen Welt um ihrer Bauleidenschaft willen bekannt; allein heute stand weder ihr noch ihm der Sinn nach baulichen Projekten.
»Fester, knete mich fester«, forderte Berenike den makedonischen Masseur auf, der jetzt an ihrem Fuß arbeitete.
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