Die Söhne.
ihn der jüdische Feldzug aus, sein Pathos vorbei. Das Unternehmen war mißglückt, er hatte seine Folgen auf sich genommen, hatte es liquidiert. Die Geschehnisse waren abgetan, Schluß damit, es beginnt eine neue Existenz.
Nur diesen einfachen, dürren Bestand, nichts anderes, Interessanteres konnte Marull aus Johann herausholen, wenn er ihn auf noch so kluge und behutsame Art auszuforschen suchte. Zuerst hatte Marull geglaubt, der Mann wolle ihn auf irgendeine verschmitzte Art hereinlegen. Aber immer deutlicher zeigte sich, daß die Haltung des Johann aufrichtig war. So pathetisch den Römern die Motive des Krieges schienen, dieser Hauptanstifter hatte ihn wirklich nicht aus pathetischen Gründen angezettelt. Johann von Gischala war ein kleiner, galiläischer Landedelmann gewesen. Er hing an seinem Gut, er hatte den starken Erwerbsinn des Bauern, er wollte sein Öl mit gutem Gewinn verkaufen, sein Terrain vergrößern und fand es unerträglich, daß diese Römer übers Meer herkamen und sich in seine Geschäfte mischten. Dagegen mußte etwas geschehen, dagegen mußte man aufbegehren, dagegen mußte man, wenn es nötig war, Krieg anfangen. Man hatte Krieg angefangen, Johann war gegen seinen Willen ins Pathetische hineingerissen worden, hatte, wie er selber glaubte und hunderttausend andere glauben machte, Krieg geführt für Jahve gegen Jupiter. Nun war der Krieg mißglückt, und im Grunde war der verstandesklare Mensch froh, seines Pathos wieder ledig zu sein. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß der Krieg nicht das rechte Mittel war, die Dinge ins Gleis zu bringen. Folglich muß man eine andere Methode suchen. Seine nächste Aufgabe jedenfalls war, wieder zu Terrain und zu gut verkäuflichem Öl zu kommen.
Diese Haltung, dem Marull vollkommen fremd, gefiel ihm gerade wegen dieser Fremdheit. Er gewann den Mann auf seine Art lieb. Oft spielte er mit dem Gedanken, ihn freizulassen, aber er fürchtete, der sehr gewandte Johann werde dann Mittel finden, nach seinem Galiläa zurückzukehren, und ihm für immer entschwinden. Johann war dem Marull mehr geworden als eine snobistische Attrappe, er sah geradezu einen Freund in ihm und wollte ihn ungern verlieren.
Wie jetzt Domitian mit seinem Ansinnen herausrückte, bewegte den Marull Zwiespältiges. Den Feldherrn eines Krieges in einer Parodie auf diesen Krieg auftreten zu lassen, das konnte an sich ein guter Spaß sein, aber der Parodierte mußte der Sieger sein, nicht der Besiegte. Der jüdische Krieg war in Wahrheit alles eher als ein Spaß gewesen, es war wohlfeil, ihn zehn Jahre nach erfochtenem Sieg zu verulken. Marull hatte nichts dawider, wenn einer den Menschen ihre Schwächen auf bissige, kränkende Art vorhielt. Aber die Juden hatten sich tapfer gehalten, man traf sie nicht, wenn man ihren Krieg lächerlich machte. Seine jüdischen Freunde, Flavius Josephus, Demetrius Liban, Johann von Gischala selber, mochten den Witz mit Recht als frostig empfinden, das ganze Unternehmen als platt, einfältig.
Er machte also höfliche Ausflüchte. Gewiß war die Idee des Prinzen ausgezeichnet, aber war sie würdig der großen Gelegenheit? Roch sie nicht ein bißchen nach Atelierscherz?
Gerade das Zögern des Marull reizte den Domitian. Er ersah daraus nur, daß sein Projekt sehr verwegen war. Auch lockte es ihn, den Marull zu etwas zu zwingen, was der nicht wollte. Selber oft gedemütigt, hatte er Freude daran, andere zu demütigen. Marull war von ihm abhängig. Der Gegner des Vespasian, sein Freund, war notwendig auch der Feind des Titus, und somit war seine wichtigste Stütze er, Domitian. Der Prinz also, verbindlich und bösartig, bestand auf seinem Willen. Sein Theater in Albanum sollte Lucias würdig sein, sollte alle andern Theater des Reichs schlagen. Wenn sein Projekt etwas vom Atelierscherz an sich habe, wie sein guter und kritischer Freund Marull scharf, doch vielleicht nicht mit Unrecht anzumerken beliebe, so schade das nichts. Das Theater soll kein Haus für die große Masse werden. Ihm, Domitian, liege daran, das Lachen der Lucia zu hören. Dazu brauche er den Johann von Gischala.
Er ließ nicht locker. Es blieb dem Marull nach einigem Hin und Her nichts übrig, als zuzustimmen. Einen Vorbehalt freilich machte er. Johann von Gischala sei hintergründig. Man könne einen Menschen zwingen, zu sterben, aber nicht, eine Rolle zu spielen.
Auf dem Weg nach Rom ärgerte er sich, daß er sich von Domitian das Versprechen hatte abringen
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