Die Söhne.
Schließlich erklärte er, er fühle sich sicher in der Hand seines Gottes, und blieb in Rom, während sie mit Paulus und Phineas nach Albanum ging.
Es lag schwer auf Dorion, daß sie mit ihrem Vater in Unfrieden war. Sie liebte ihren Mann Josef heißer, aber die Bindung mit ihrem Vater war gleichmäßiger; mit ihm verstand sie sich, mit Josef verstand sie sich nicht. Sie dachte daran, Fabull trotz des Zerwürfnisses aufzusuchen, ihn nochmals kindlich zu bitten, ihren Lieblingswunsch zu erfüllen, das Haus bei Albanum auszumalen. Hier in dem verseuchten Rom konnte er jetzt doch nicht bleiben.
Schon hatte sie Weisung gegeben, die Sänfte bereitzustellen, da klangen ihr die gemeinen, niedrigen Worte von neuem hoch, die er gegen Josef gesagt hatte. Nein, sie konnte nicht zu ihm gehen. Sie selber durfte Josef beschimpfen, sie durfte ihn auch vor Dritten lästern, sie, aber niemand sonst, auch ihr Vater nicht. Sie versuchte gleichwohl, sich zu überwinden. Sie liebte doch ihren Vater, und zwischen ihr und Josef wurde es immer schlimmer: wie soll sie leben, ohne mit ihrem Vater ausgesöhnt zu sein? Sie befahl ihren Füßen, zu gehen, aber sie gingen nicht. Sie fuhr nach Albanum, ohne ihren Vater gesehen zu haben.
Es war schön in Albanum. Die Berge schwangen sich in edlen Linien, das Meer lag weit und groß, und lieblich der See, die Luft atmete sich leicht. Auch der Bau ging gut voran, und sie gab mit Lust immer neue Weisungen. Aber die Wände blieben leer, sie brachte es nicht über sich, einem andern den Auftrag zu geben, sie zu bemalen, so gute Leute der Architekt Grovius ihr vorschlug. Sie sah die leeren Wände, und es nagte an ihr, daß sie leer waren.
Josef blieb in Rom. Was er gesagt hatte, war wahr. Er war wirklich ganz angefüllt mit hochfahrender, fatalistischer Sicherheit. Die Seuche konnte ihm nichts anhaben. Verschwunden aber war jene Zuversicht, daß es zwischen ihm und Dorion wieder gut werde. Dorion gleitet fort von ihm, alle seine Macht über sie ist fort. Er hat sich vor ihr gedemütigt, hat auf seinen Sohn Paulus verzichtet, hat sie ihre Villa in Albanum bauen lassen. Aber es nützt nichts, er kommt so nicht weiter, sie will alles oder nichts. Er kann sie nur halten, wenn er sich vollends ihrem Willen fügt und sich selber aufgibt.
Er ging in diesen Tagen oft in die Subura, zu Mara, zu seinem Sohne Simeon. Er hatte sie aufgefordert, Rom zu verlassen, aber sie war von Galiläa her gewohnt, Epidemien fatalistisch hinzunehmen. Sie wollte bleiben, wo Josef war; heimlich freute sie sich, daß sie infolge der Seuche Gelegenheit hatte, Josef öfter zu sehen. Fast immer jetzt trug sie ihre geflochtenen, parfümierten Sandalen; sie wollte in feiertäglicher Bereitschaft für ihn sein.
Josef saß in dem behaglichen Raum, den der Glasfabrikant Alexas ihr überlassen hatte. Selbst jetzt, während der Seuche, war die Subura so voll von Verkehr, daß der Lärm bis in das Zimmer drang. Josef las oder schwatzte ein weniges mit Mara, oder er beschäftigte sich mit Simeon-Janiki, seinem jüdischen Sohn. Infolge der Seuche konnte sich Simeon nicht auf den Straßen herumtreiben wie sonst; hatte Mara nicht Grund, die Seuche wirklich für ein Geschenk des Himmels zu halten? Er war vielmehr, um Ansteckung zu vermeiden, gezwungen, sich zu Hause zu halten, und er befaßte sich wohl oder übel mehr mit Büchern. Josef brachte ihm den »Jüdischen Krieg«. Es war die aramäische Version, die ursprüngliche, die weniger Kompromisse machte als die griechische. Den Simeon interessierte das Buch, er war ein geweckter Junge, und den Josef rührte Reue und Bitterkeit, wenn er merkte, wie sein kleiner Sohn sich immer wieder den Kopf zerbrach über Stellen, die Josef aus politischen Gründen lückenhaft und undurchsichtig gefaßt hatte. In seinem Innern übrigens haderte er bei solchen Anlässen oft mit Johann von Gischala und Justus von Tiberias und verspottete sie wegen ihrer Wirtschaftsziffern und Statistiken.
Mara saß still und zufrieden dabei, wenn ihr Herr Josef mit dem Knaben, den sie ihm geboren hatte, über sein Buch redete. Der Großdoktor Jochanan Ben Sakkai war ein heiliger Mann gewesen, Jahve hat aus ihm gesprochen.
Was Simeon-Janiki im »Jüdischen Krieg« am brennendsten interessierte, war die Beschreibung von militärischen Dingen, insbesondere von Kriegswerkzeugen. Die Artillerie, die Belagerungsmachinen, die Geschütze, die Widder, die Katapulte und Ballisten, davon konnte er
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