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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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heftig zu schimpfen. Zudem stellte er als kluger, welterfahrener Junge in Rechnung, daß Lucrio wohl infolge der Seuche nervös war. Immerhin, einen gewissen Stolz hat man, und niemand läßt sich gerne sagen, er verpeste die Luft und verbreite Aussatz. Simeon entschloß sich, den Hauptmann nach den Gründen zu fragen, die ihn zu so ehrenrührigen Reden veranlaßten. Freilich wird er das erst dann tun, wenn die Seuche vorbei und der Hauptmann wieder trätabel ist.
      Übrigens führte sein Besuch im Hause des Freundes trotz des soldatischen Zornausbruchs des Lucrio zum Ziel. Kamerad Constans nämlich als anständiger Bursche und guter Freund schämte sich der Haltung seines Vaters. Schon während der Alte auf Simeon eingeschimpft, hatte er ihm, rot und hilflos danebenstehend, hinter dem Rücken des Vaters beschwichtigende Gesten gemacht. Nach zwei Tagen bewerkstelligte er es, sich verstohlen bei Simeon einzufinden. Mara verfügte nicht über den kräftigen Wortschatz des Hauptmanns Lucrio, aber sie war, als Constans auftauchte, nicht minder entsetzt als der Hauptmann beim Erscheinen des Simeon. Simeon indes, als die Mutter den ersehnten Freund, nun er endlich da war, hinausweisen wollte, schimpfte und fluchte dermaßen, daß es Hauptmann Lucrio nicht hätte besser können. Vor allem gebrauchte er mehrmals das Fluchwort »Beim Herkel«, eine von ihm selber erfundene Abkürzung der Beteuerungsformel »Beim Herkules«. Er wußte, daß er die Mutter durch die Anrufung des monströsen, heidnischen Gottes auf das äußerste erschrecken werde, und sie verstummte denn auch sogleich und zog sich zurück.
      Constans, als sie endlich allein waren, drückte herum, versuchte, seinen Vater zu entschuldigen, ihn zu rechtfertigen. Simeon fand es nicht an der Zeit, Constans etwas von den Gedanken mitzuteilen, die er sich über den Hauptmann Lucrio in diesen zwei Tagen gemacht hatte, er war froh, den Freund dazuhaben, und ihm ging es jetzt vor allem um die »Große Deborah«. So schnitt er denn die Reden des Constans kurz ab und erzählte ihm von seinem Plan. Constans, froh, daß Simeon ihn die Haltung seines Vaters nicht entgelten ließ, machte sich mit Feuer ans Werk, und sie kamen flott voran.
      Constans stellte sich bald ein zweites Mal ein. Von da an saßen die beiden Knaben zum Entsetzen der Mara immer häufiger zusammen, angespornt von der Schwierigkeit und der Heimlichkeit ihres Unternehmens, und während sich ringsum die Stadt in Angst wegen der Seuche und in Gebeten verzehrte, bastelten sie an ihrer »Großen Deborah«.
      Mara wurde gequält von Zweifeln, ob sie Josef nichts von diesen Besuchen mitteilen solle. Aber sie konnte das ihrem Janiki nicht antun. Auch hob es ihr Herz, daß sie gewissermaßen eine Mitverschworene ihres Sohnes war. Still saß sie dabei, wenn Simeon den Vater auf vorsichtige, umwegige Art über die Konstruktion der »Großen Deborah« ausholte, und sie konnte sich nur schwer beherrschen, dem Sohne nicht manchmal einverständnisvoll zuzublinzeln.
      Josef merkte nichts von der Heimlichkeit der beiden. Er kam oft in die Subura, und ihm gefiel sein jüdischer Sohn. Der war ein netter, geweckter Junge, freilich sehr gebunden ans Sinnlich-Materielle. Aber Josef wendete nicht allzuviel Gedanken an ihn. Immer wieder, während er mit ihm schwatzte, stellte er sich seinen Sohn Paulus vor, wie der auf den Hügeln bei Albanum einherfuhr, auf seinem Ziegengespann, schlank, blaßbraun, hochmütig. Er beantwortete geduldig die Fragen seines Sohnes Simeon, er beschaute das runde, klare, zufriedene Gesicht der Mara, und er liebte seinen Sohn Paulus sehr.

    Der Maler Fabull sah sich infolge des Brandes und der gesteigerten Bautätigkeit mit Aufträgen überschüttet. Er arbeitete. Wenn er nicht arbeitete, wartete er auf seine Tochter, stellte sich vor, wie sie kommen und ihm Abbitte leisten werde, und dieses Warten zehrte an dem verschlossenen, hochmütigen Mann. Sie wußte, wie sehr er sie liebte, sie liebte ihn, sie wird kommen. Er wartete. Arbeitete immer wilder, um nicht warten zu müssen.
      Die Seuche kümmerte ihn nicht. Es schien ihm undenkbar, daß sie ihn erreichen könnte, ehe er sein großes Bild gemalt und sich mit seinem lieben Kinde ausgesöhnt hätte. Er arbeitete. Er zog sich peinlich korrekt an wie stets, er malte nur im Galakleid. Er malte oder er wartete auf seine Tochter. So vergingen ihm die Tage und die Nächte. Noch ging die Sonne früh auf und spät unter, er konnte lange

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