Die Söhne.
werde zusammen leben können. Aber was sein Verstand erkannte, wollte sein Gefühl nicht wahrhaben. Er bat sie, beschwor sie, in Rom zu bleiben. Er stellte ihr vor, daß ihr Vater selber den Jungen als Römer habe erzogen wissen wollen, nicht als Alexandriner. Er versprach ihr feierlich, ihr in die Erziehung ihres Sohnes nicht mehr einzureden. Aber bleiben solle sie.
Sie hatte damit gerechnet, daß er so sprechen werde. Mit stiller Genugtuung bestätigte sie sich, daß sie seine Worte kalt anhören konnte, daß nichts mehr an ihm, nicht seine Stimme nicht seine Augen an ihr Gefühl rührten. Sie wird ihren Plan ohne Furcht vor der Überrumpelung durch ihre alte Neigung zu Ende führen können.
Sie war von Anfang an entschlossen gewesen, in Rom zu bleiben; aber sie wollte sich diese ihre Bereitschaft abkaufen, ihn dafür zahlen lassen. Langsam, schrittweise, mit kluger Taktik, gab sie nach. Sie wird in Rom bleiben, aber sie stellte Bedingungen. Sie kam auf ihre alte Forderung zurück. Die dünne Stimme gezügelt, die hellen, wilden Augen sehr kalt, erklärte sie, sie bestehe darauf, daß er das Weib, jene Jüdin, aus der Provinz, aus Rom wegweise.
Josef dachte an die Geschichte Abrahams. »Da sprach Sara zu Abraham: Treibe aus diese Magd Hagar mit ihrem Sohne: denn nicht erben soll der Sohn dieser Magd mit meinem Sohne, mit Isaak. Und leid war die Sache sehr in den Augen Abrahams. Aber er machte sich auf am Morgen und nahm Brot und einen Schlauch Wasser und gab es der Hagar, legte es auf ihre Schulter samt dem Kinde und schickte sie fort. Und sie ging.«
Josef sagte Dorion zu, er werde Mara aus Rom wegweisen.
Am andern Morgen ging er in das Haus an der Subura, zu Mara. Sie strahlte, als Josef kam; ihrem klaren, runden Gesicht, das jetzt etwas vollbäckig geworden war, sah man jede Regung sogleich an. Auch der Junge freute sich offensichtlich. Er war mit seinem Modell vorangekommen, bald wird er es dem Vater zeigen können. Mara lief geschäftig ab und zu. Sie machte Josef ein kaltes Fußbad zurecht; sie wußte, daß er, wenn er zu Fuß kam, es liebte, die Füße zu baden. Sie versuchte, es ihm behaglich zu machen, brachte ihm den Schemel, Eisgetränke.
Josef ließ es sich herrenhaft gefallen. Aber er verwandte keinen Blick von ihr, wie sie ab und zu ging. Sie war ein bißchen dicklich geworden in diesen zehn Jahren. Aber das sah er jetzt nicht, vielmehr sah er sie heute, wie er sie während ihres ganzen Aufenthaltes in Rom nicht gesehen hatte, so nämlich, wie sie damals in Cäsarea gewesen war. Seine Phantasie wischte das Pausbäckige ihres Gesichts fort, er sah ihr Antlitz rein, eirund, die niedrige Stirn schimmernd wie damals, die langen Augen, den üppig vorspringenden Mund, das ganze, demütige, junge, süße, galiläische Gesicht von damals, betont noch in seiner Reinheit durch das dunkelbraune, viereckige Kleid mit den roten Streifen, wie es im Norden Judäas landesüblich war. Verlangen nach ihr stieg ihm auf wie in der ersten Zeit in Cäsarea.
»Und leid war die Sache sehr in den Augen Abrahams.« Er hat Dorion das Versprechen gegeben. Dorion, wie sie jetzt ist, ist nicht die Frau, ihm etwas zu schenken. Er liebt seinen Sohn Paulus, und er hängt an Dorion. Vielleicht ist es ein Unglück für ihn, daß er an ihr hängt; aber wie immer, er kann nicht los von ihr. Er muß vorwärts jetzt, er muß es Mara sagen.
Er drückte herum, es fiel ihm schwer, anzufangen, den Frieden dieses Hauses zu stören. Ringsum war die Seuche; aber in dem Zimmer hier war alles gut. Der Junge, Simeon-Janiki, sein jüdischer Sohn, saß da, stämmig, beflissen, und las aus dem »Jüdischen Krieg«, langsam, doch erfolgreich um den Sinn bemüht, Mara hörte still zu, verständnislos und glücklich, und ihm war es auferlegt, das alles zu zerstören.
Er riß sich zusammen. Mit Ansprung erklärte er, jetzt, nachdem auch sein Schwiegervater Fabuli an der Seuche gestorben sei, halte er es nicht für angebracht, daß Mara mit dem Jungen länger in Rom bleibe. Simeon sah überrascht hoch. Wie denn? fragte er. So lange habe die Seuche ihm nichts anhaben können, er habe keine Furcht vor ihr. In kurzem, überlegte er in seinem Innern, wird es so weit sein, daß er dem Herrn und Vater das Modell wird zeigen können. Die ganze Arbeit dieser letzten Wochen stak in dem Modell. Soll sie vertan sein? Wo wird er einen zweiten so eifrigen Mitarbeiter finden wie seinen Freund Constans?
Mara war keine kluge
Weitere Kostenlose Bücher