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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Asche haben. Man machte Ausflüchte. Man hatte ihn der Vorschrift gemäß zusammen mit andern Leichen verbrannt, aber das wagte man ihr nicht zu sagen. Vielmehr erklärte man ihr vielwortig, die Asche könne nur ausgefolgt werden, wenn eine spezielle Erlaubnis der obersten Gesundheitsbehörde vorliege. Sie ging zu den leitenden Ärzten, drang bis zu Valens vor. Die Asche wenigstens wollte sie haben. Schließlich gab man ihr eine aschengefüllte Urne.
      Vielleicht ahnte sie in ihrem Innersten, daß das irgendwelche Asche war, aber sie wollte es nicht wissen. Es war die Asche ihres Vaters, des von ihr getöteten, den man ruchloserweise verbrannt hatte, so daß nun auch seine Seele, sein »Ka«, für immer vernichtet war, und sie hatte es geschehen lassen.
      Mit dem Häufchen Asche in der billigen, kümmerlichen Urne ging sie zurück in das Haus des Fabull. Man wollte sie wegbringen, da man das Haus trotz der Desinfektion für ansteckungsgefährlich hielt. Aber sie widersetzte sich. Mit der Urne hockte sie in dem Atelier des Fabull, wo halbvollendete Bilder herumstanden und lehnten, Zeichnungen zu den »Versäumten Gelegenheiten« und anderes. Sie kauerte auf dem Boden, sprach zu der Urne.
      Die Dame Dorion war aufgeklärt, sie hatte offenen Sinn für die Wirklichkeit; aber was Tod und Jenseits anlangte, so hatte ihre Mutter sie von frühester Kindheit an angefüllt mit den uralten, dunklen Vorstellungen des Nillandes. Die Mutter selber war dem strengen, alten Ritus gemäß einbalsamiert worden, ihr für die Ewigkeit konservierter Leib lag wohlversorgt in dem kleinen Wohnhaus, das ihr Fabull auf dem Totenhof von Alexandrien errichtet hatte. Ihr Vater Fabull aber war nicht nur durch ihre Schuld umgekommen, sondern auch infolge ihrer grauenvollen Fahrlässigkeit für immer vernichtet. Sie hatte es zugelassen, daß sein heiliger Leib auf barbarische Art verbrannt wurde, so daß er sein Wohnhaus für die Ewigkeit nicht betreten, das Schiff nicht besteigen konnte, das darauf wartete, ihn nach den Ländern der Seligen zu bringen.
      Sie hockte auf der Erde, mager, verschmutzt, die meerfarbenen Augen verwildert, mit den dünnen Händen preßte sie die Urne. Sie hatte eines jener Totenbücher im Atelier gefunden, wie man sie den Einbalsamierten mitgab, ein Buch mit den Beschwörungen und Zauberformeln, die Fährnisse abzuwenden, die den Wanderer im Jenseits bedrohten. Sinnlos vor sich hin, mit scheppernder Stimme, sprach sie die uralten ägyptischen Formeln.
      Plötzlich hielt sie ein, verstummte, stierte voll Furcht und Haß vor sich hin. Sie war an das Kapitel über das Totengericht gekommen. Da klangen ihr mit einemmal Schrecken erregend die geheimnisvollen Worte des Josef auf, die hochfahrenden, daß er Macht habe, den Spruch über die Toten aufzuzeichnen. Seine Reden bekamen jählings einen überraschenden, haßvollen Sinn. Er war es, seine Rachsucht war es, die ihren Vater für immer vernichtet hatte.
      Am dritten Tag kam er. Sie sprang auf, mit einem kleinen Schrei. Wich mit solchem Entsetzen vor ihm zurück, wies ihn, fauchend, mit solchem Haß von sich, daß er nicht zu bleiben wagte.
      Er schickte ihr Ärzte, Pfleger. Erst nach Tagen kehrte sie in ihr Haus zurück.
      Als er sie dann, wieder nach Tagen, in ihren Räumen aufsuchte, erschien sie noch schmaler und zarter als sonst, aber sie war sorgfältig gekleidet und gepflegt wie immer, ja, sie trug jene hauchdünnen Gewänder, die sie liebte, und ihr Kater Chronos war um sie. Sie hatte sich zusammengerafft, sie hatte Pläne. Es blieben ihr nur mehr zwei Dinge zu tun. Das erste war, ihren Sohn im Sinn seines Großvaters zu erziehen, das zweite, dem Juden heimzuzahlen, was er ihr und ihm angetan hatte. Beides erfordert Ruhe und List, Eigenschaften, die sie nicht gut meistert. Aber es geht um den Sinn ihres Lebens, sie wird ruhig und listig sein.
      Still und höflich erklärte sie ihm, sie werde nach Alexandrien gehen. Die Seele, das »Ka«, ihres Vaters sei vernichtet, aber sie wolle trotzdem die Asche in dem für Fabuli bestimmten Totenhaus in Alexandrien beisetzen. Ihren Paulus werde sie mitnehmen, um ihn in Alexandrien erziehen zu lassen. Wenn Josef ihr gestatte, den Phineas mitzunehmen, so wäre sie ihm dankbar. Für ihn bedeute es eine finanzielle Entlastung, und sie drücke es nicht; denn infolge des Todes ihres Vaters habe sie ja Mittel.
      Josef hatte längst eingesehen, daß er Dorion nicht werde halten, daß er nicht länger mit ihr

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