Die Söhne.
Frau, doch wenn es um Josef ging, war sie spürsinnig. Von Anfang an hatte sie heute erkannt, daß Josef ihr etwas zu sagen hatte, und nichts Angenehmes, und jetzt erschrak sie sehr. Sogleich ahnte sie die Zusammenhänge. Sie hatte sich über die Dame Dorion viel erzählen lassen, sie wußte, daß sie ihr ein Dorn im Auge war. Sicher stak die Dame hinter Josefs Vorschlag. So lange hatte Josef sie in Rom geduldet; in diesen letzten Wochen schien es sogar, als sei ihre und des Jungen Anwesenheit ihm eine Stärkung. Woher diese plötzliche Besorgnis, nun doch die Seuche schon im Abklingen war? Sicher war es die Dame, die sie forthaben wollte. Ist sie erst einmal fort, dann wird die Dame zu verhindern wissen, daß sie jemals zurückkommt. Ach, sie verstand das sehr gut. Sie selber an Stelle der Dame hätte wohl auch nicht die Anwesenheit einer zweiten Frau des Josef und ihres Kindes geduldet.
Dies alles spürte sie in einem Augenblick, und die Freude auf ihrem stillen und fröhlichen Gesicht erlosch sichtbarlich. Aber sie machte nicht erst lange, lahme Widerreden. Sie verwies dem Jungen seinen Widerspruch, und sie selber fügte sich. In ihrem Innersten hatte sie niemals an den Bestand dieses ihres Glückes geglaubt, und gerade als Josef ihr versprach, er werde den Jungen bei Freunden erziehen lassen, hatte sie zu zweifeln begonnen. Wenn Josef, ihr Herr, es wünschte, dann ging sie natürlich. Ja, er wünschte es, er wünschte, daß sie zurück nach Judäa gehe. »Nach Judäa?« fragte finster und widerspenstig Simeon, aber die Mutter gab ihm einen Blick, vorwurfsvoll, traurig und bittend zugleich, und er schwieg.
Sowie sie indes mit dem Jungen allein war, änderte sie ihre Haltung. Sie begriff die Dame Dorion, sie ehrte und liebte ihren Mann Josef, aber diesmal fügte sie sich nicht ohne weiteres. Wenn es um sie allein ginge, dann wohl: aber es geht um ihren Jungen. Jeder muß sehen, wie der in Rom aufblüht, wie die Stadt sowohl als auch die Gegenwart seines Vaters dazu beiträgt, ihn blühen und gedeihen zu machen. In Judäa verwildert er. Soll sie ihn aus dem Licht zurück in den Schatten bringen? Sie denkt nicht daran.
Sie eröffnete sich Josef und ihrem Freund, dem Glasfabrikanten Alexas. Der beleibte Herr hörte zu, ohne sie zu unterbrechen. Es war ein vielerprobter Mann, er hatte mehr Leid erfahren als die meisten andern, hatte alle verloren, die ihm lieb gewesen waren. Jetzt waren ihm diese Frau aus Judäa und ihr Junge lieb geworden, durch den netten, geweckten Simeon war neuer, fröhlicher Lärm in sein ödes Haus gekommen, er wollte nicht, daß die beiden fortgingen und sein Haus wieder stumm werde. Er hatte erfahren, wie schnell Freude entschwindet. Er fand es frivol, dieses fröhliche Leben ohne Kampf ziehenzulassen, und begriff nicht, wie Josef die beiden fortschicken konnte.
Die Nacht über dachte er nach. Den andern Tag glaubte er, einen Ausweg gefunden zu haben. Er wird Mara heiraten. Er wußte natürlich, warum Josef Mara aus Rom forthaben wollte. Aber wenn Mara eines andern Frau ist, kann dann ihre Anwesenheit die Dame Dorion stören?
Als Josef das nächste Mal in das Haus an der Subura kam, um mit Mara die Einzelheiten ihrer Rückreise zu besprechen, war zu seinem nicht angenehmen Erstaunen auch Alexas da und teilte ihm die Lösung mit, die er gefunden hatte. Josef schien der Plan nicht willkommen. Er wußte leider, daß die Dame Dorion nicht so leicht zu befriedigen war, wie sein Freund Alexas glaubte. Dorion war heftig, sicher nicht war sie mit einer solchen halben Lösung einverstanden. Josef verlor sie, wenn Mara in Rom blieb. Auf der andern Seite wagte er nicht recht, seinem Freunde zu widersprechen. Wenn der Mara heiraten wollte, woher sollte er, Josef, den Anspruch nehmen, ihn zu hindern? Niemand nannte den Namen der Dame Dorion, aber alle wußten, daß es im Grunde nur um sie ging. Man sprach hin und her und kam nicht vom Fleck.
Mara sah Josefs Zögern. Die Freundschaft des Alexas, sein Antrag waren ihr als ein neuer, unerwarteter Glücksfall erschienen. Nun mußte sie erkennen, daß, wenn sie in Rom blieb, ihre Gegenwart nur den Zorn Josefs, ihres Herrn, erregen, daß sie ihm als Frau des Alexas in Rom ferner sein werde als in Judäa. Aber ging es nicht um den Jungen? War es nicht notwendig, Simeon-Janiki in Rom zu halten unter etwas strafferer Zucht? Sie fand keinen Ausweg.
Alexas schließlich fand ihn. Wenn sein Freund Josef so sehr um Maras Gesundheit
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