Die Söhne.
allgemeinen Strömung nicht entziehen. Der Terrainhändler Tryphon zum Beispiel, ein Anhänger dieser Sekte, ein Landsmann und Geschäftsfreund des Freigelassenen Johann von Gischala, interessierte sich jetzt mehr für die Chancen der »Blauen« als für die Terrains im Norden oder für die Abweichungen seines Glaubens von den Lehrmeinungen der Doktoren. Als Johann ihn verwundert fragte, ob denn überhaupt die Lehren seiner Sekte ihm erlaubten, den Wagenrennen beizuwohnen, antwortete dieser »Gläubige« unerwartet liberal, man dürfe die Ergötzlichkeiten nicht verschmähen, die Gottes Güte gewährt habe. Und als Johann auch dann noch den Kopf schüttelte, wies der Christ Tryphon auf die Heilige Schrift hin und berief sich auf den Propheten Elias. Da dieser auf einem Wagen gen Himmel gefahren sei, so könne, meinte er, die Kunst des Wagenlenkens vor Gottes Augen nicht mißfällig sein.
Simeon war »grün«, Constans »blau«. Es war den »Blauen« geglückt, sich den »Vindex« als Hauptpferd für ihr wichtigstes Viergespann zu sichern. Das war ein Ereignis, vor dem selbst die geplante Heirat des Walfischs mit der Jüdin zurücktrat. Der Hauptmann Lucrio zum Beispiel war »blau«, und beinahe vergaß sogar er seine Antipathie gegen die östliche Dame, weil man jetzt das Pferd Vindex für die »Blauen« in Rom rennen sehen sollte.
Die beiden Knaben, täglich aus den Stallungen hinausgeworfen, ersannen täglich neue Vorwände, sich wieder Zugang zu verschaffen. Constans erlahmte allmählich. Aber Simeon war erfinderisch. Er bestach etwa den Türsteher mit Amuletten, die den eigenen Gespannführern Sieg, den Gegnern Untergang bringen sollten; er fertigte das Zeug selber an, ägyptische Beschwörungsformeln, sonderbar geritzte Alexandermünzen, kleine Zauberglöckchen für die Pferde. Es gelang ihm, mit dem einen oder andern der Gespannführer ins Gespräch zu kommen. Die Beine gegrätscht, fachmännisch stand er da und zitierte, was der Champion Thallus, Tausendsieger, ihm einmal in Cäsarea gesagt habe, kennerhaft beklopfte er die Hälse und Schenkel der Pferde, verglich sie mit dem Pferd Silvan, auf dem er einmal gesessen sei, und Constans stand voll neidischer Bewunderung daneben.
Nun hatte Constans von einem Kameraden ein graues Eichhörnchen erworben, das sich in die Stadt Rom verirrt hatte, und er versprach dem Simeon dieses Eichhörnchen, falls der ihm erwirke, daß er einmal auf dem Gaul Vindex sitzen dürfe. Simeon, keß, wie er war, traute sich das wohl zu. Es gab aber ein Hindernis. Der Gaul Vindex lief für die »Blauen«, und er, Simeon, war »grün«. Er war »grün« geworden damals, als der Champion Thallus sich ihm gegenüber so anständig benommen hatte, und nicht für den Gaul selber hätte er seine »grüne« Überzeugung verleugnet. Glücklicherweise aber fragte ihn niemand nach seiner Parteizugehörigkeit. Er ging schließlich bei den »Blauen« ebenso ein und aus wie bei den »Grünen«, und er erreichte es, daß der Gespannführer Avil, der beste Mann der »Blauen«, vorläufig ihn selber einmal auf dem Gaul Vindex sitzen ließ. Klein, breit und die Brust fast gesprengt vor Stolz, saß er auf dem fünfjährigen Vollblut. »Beim Herkel«, sagte er, »mit diesem Gaul könnte man glatt Indien erobern.«
Zunächst aber galt es, das graue Eichhörnchen zu erobern. Allein gerade als er soweit war, dem Avil die Bitte vorzutragen, auch seinen Freund Constans einmal auf dem Vindex reiten zu lassen, ereignete sich ein Unglück, das die ganze Stadt bewegte. Avil war neben Thallus wohl der beste Mann der Rennbahn, auch er war Tausendsieger, tausendundsieben Siege hatte er hinter sich. Er lebte in Gallien und war nach Rom gekommen, um rechtzeitig mit dem Training auf der Großen Rennbahn zu beginnen. Da, zwei Wochen vor seinem Auftreten, gerade noch kurz vor ihrem endgültigen Verlöschen, packte ihn die Seuche, und er starb, bevor er den Constans auf den Vindex gesetzt hatte.
Der Tod ihres Freundes Avil verleidete den Knaben die Stallungen. Um so häufiger machten sie sich nun in den Kasernen der Fechter zu schaffen. Hier ging es fast noch bewegter zu als bei den Rennern. In die Quartiere der Fechter Zutritt zu erhalten war übrigens leicht. Die Herren, denen die Organisation der Fechterspiele oblag, entfalteten eine wilde Werbetätigkeit, und ihnen war jedes Interesse willkommen. Sie standen nämlich vor schweren Problemen. Das Material, das man für die Hunderttägigen Spiele
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