Die Söhne.
fürchte, so sei es vielleicht das klügste, wenn Mara auf einige Zeit nach Judäa zurückkehre, schon um dort ihre und des Simeon Dinge endgültig zu ordnen. Der Junge aber habe doch wirklich von der Seuche nichts zu befürchten; es ereigne sich äußerst selten, daß so junge Menschen von ihr befallen werden. Er schlage also vor, Mara solle vorläufig allein nach Judäa zurückkehren, Simeon-Janiki aber gewissermaßen als Pfand in seinem Hause zurückbleiben.
Mara saß stumm und erloschen da. Der Vorschlag des Alexas war gut gemeint, doch auf diese Art verlor sie ihren Mann sowohl wie ihren Sohn. Aber sie begriff, daß es einen andern Ausweg nicht gab, wenn sie nicht den Zorn Josefs erregen wollte. Sie klammerte sich daran, daß diese Regelung nur eine »vorläufige« sein sollte, und fügte sich.
Josef und der Junge begleiteten sie auf das Schiff. Das war eine Reise von drei Tagen, und sie rechnete dem Josef seine Höflichkeit hoch an, denn er war erkältet und pflegte sich zu verwöhnen.
Es war merkwürdig, wie sie sich auf dieser Reise in die frühere Mara zurückverwandelte. Sie verlernte vollends ihr bißchen Griechisch und Latein. Sie bewunderte ihren Jungen, der soviel geschickter und erwachsener war als sie. Mit vielen demütigen Worten, immer von neuem, bat sie Josef, sich seiner anzunehmen. Alexas ist ein guter Mann und ihrem lieben Simeon-Janiki zugetan, aber wie soll ein Sohn gedeihen ohne den Segen und die Liebe des Vaters? Zweimal in der Woche oder einmal wenigstens müsse Josef ihn vor sein Antlitz lassen, das müsse er ihr versprechen. Josef versprach es, versprach mehr. Er war gewillt, sein Versprechen zu halten, er hatte seinen jüdischen Sohn gern. Simeon-Janiki war sein Erstgeborener. Der Erstgeborene seines Herzens freilich blieb sein Sohn Paulus.
Mara, als man den Steg schon weggezogen hatte und das Schiff sich in Bewegung setzte, rief ihm noch zu, er solle ja sofort zurückkehren. Er solle um Gottes willen sogleich nach seiner Rückkehr Kamillen mit Mangold und zerstoßener Kresse, in alten Wein gemischt, zu sich nehmen und richtig schwitzen. Er müsse ihr mit nächster Post schreiben, wie es um seine Erkältung stehe. In ihrem Innern machte sie sich Vorwürfe, daß sie seine Begleitung angenommen hatte; denn sie fürchtete, jetzt sei er der Seuche leichter zugänglich.
Dann stach das Schiff in See. Sie stand lange auf dem Hinterdeck. Josef und Simeon verschwanden rasch, langsam die Küste Italiens. Sie aber stand noch, als die Küste schon lange verschwunden war.
Simeon-Janiki liebte seine Mutter, er fühlte sich männlich vor ihr, wie ein Erwachsener vor einer Unmündigen. Trotzdem mußte er sich, wenn er ehrlich sein wollte, in den Wochen nach ihrer Abreise eingestehen, daß er froh war, sie jetzt nicht um sich zu haben. Denn es waren sehr ausgefüllte Wochen, und seine Mutter hätte ihn behindert.
Nachdem nämlich die Seuche ihre Kraft verloren hatte und die Begüterten von ihren Landsitzen zurückkehrten, kündigte jetzt auch der offizielle »Tagesanzeiger« endlich an, daß die Prinzessin Berenike in zwei Wochen in Rom eintreffen werde. Schon hatte auch der Kaiser dem Senat mitgeteilt, er habe beschlossen, die Eröffnung des neuen, von seinem Vater begonnenen Amphitheaters, des größten der Welt, durch Hunderttägige Spiele von niegesehener Pracht zu feiern. Nicht erwähnt in seinem Schreiben war, daß diese Spiele Berenike galten, aber jedermann im Reich wußte es.
Die Stadt tauchte in ihr altes, fröhliches Leben herauf, die Vorbereitungen der Spiele setzten alles in Bewegung. Die Knaben Simeon und Constans hatten groß zu tun, sie konnten sich nicht vorstellen, daß ohne ihre Mithilfe alles ordentlich vonstatten gehe. Selbst die Arbeit am Modell der »Großen Deborah« blieb liegen.
Sie trieben sich in den Stallungen der Pferdezüchter herum, der Unternehmer, die für die Wagenrennen das Material lieferten, der »Blauen« und der »Grünen«. Das ganze Reich war geteilt in diese beiden Rennparteien. Denn seit hundert Jahren, seitdem den Römern mit der Möglichkeit der politischen Betätigung auch die politische Leidenschaft verraucht war, galt ihre ganze Passion den Pferderennen, und mit wilder Anteilnahme verfolgte ein jeder die Siege und Niederlagen seiner Rennpartei. Selbst die »Gläubigen«, die Minäer, die »Christen«, wie einige sie nannten, Anhänger einer neuen, mild und strengen, asketischen Sekte, konnten sich dieser
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