Die Söhne.
Senatsbeschluß erwirkt, dem zufolge man nicht einmal mehr einen Leibeigenen ohne weiteres an ein Bordell verkaufen darf. Dieser unser Marull ist noch weiter gegangen; er hat, als er noch im Senat saß, ein Gesetz eingebracht, dem zufolge es verboten sein sollte, ausgediente, nicht mehr verwertbare Leibeigene auf die Straße zu werfen und verhungern zu lassen; vielmehr sollten Besitzer von senilen, nicht mehr brauchbaren Leibeigenen, falls man ihnen diese nicht für die Spiele in der Arena abnahm, gehalten sein, ihnen täglich ein Stück Brot und zweimal im Monat etwas Knoblauch und Zwiebel zu liefern. Selbstverständlich ist er mit so radikalem Liberalismus nicht durchgedrungen. Aber es ist eine großartige Idee, und niemand weiß sie besser zu schätzen als Liban, wenn Marull jetzt von der Bühne her, bei Gelegenheit des »Laureol«, dieses Problem von neuem anschneiden will.
»Ja«, erwiderte also Liban, »das ist die Lösung. Jetzt haben Sie es geschafft, Senator Marull. Weiter, bitte. Sagen Sie, wie denken Sie sich die Handlung weiter?« Marull war in Schwung gekommen, er improvisierte, improvisierte mit Glück. »Unsere Seeräuber trinken. Sie trinken viel. Unter dem Einfluß des Weins schwatzen sie von ihrer Vergangenheit. Sie zählen die Mühen und Mißhandlungen ihres früheren Leibeigenendaseins auf; keiner will dem andern an Fülle des durchgemachten Elends nachstehen. Sie streiten, sie werden immer heftiger. ›Wer hat am meisten zu leiden gehabt?‹ schreien sie sich an. ›Du? Mit deinem bißchen glühender Zange? Das soll auch was sein?‹ Und sie gehen mit Fäusten, Rudern, Enterhaken aufeinander los.« – »Ich sehe«, sagte enthusiastisch Demetrius, »ich verstehe, ich bin im Bilde.« Und mit rascher Bühnenphantasie führte er die Idee des Marull aus: »Sie singen ein Couplet. So etwa: ›Ich kenn die Peitsche, / Ich kenn das Eisen, / Ich kenn das Feuer, / Die Nackenkette, / Und ich, ich hing schon einen Tag am Kreuz.‹« Er pfiff und sang das Couplet vor sich hin. »Ja«, sagte Marull. »Fein. In dieser Art etwa. Und dann kommen Sie, Laureol, und schlagen die wildesten unter den Räubern kurz und klein.« – »Und dann spiele ich mich in den Vordergrund«, arbeitete Demetrius beflissen weiter. »Ich erzähle, was ich selber erlitten habe, wie man mich erst auf die Galeere geworfen hat, dann in die Bergwerke, dann in die Steinbrüche, wie man mich dann an die Wasserpumpe der Bäder gestellt hat, dann an die Tretmühle.« – »Ja«, fiel ihm Marull ins Wort. »Aber Sie, Liban-Laureol, machen natürlich kein Wesens daraus. Sie haben das alles gut und ohne sonderliches Mißbehagen überstanden und geben glatt zu, daß jeder von Ihren Kollegen mehr gelitten hat als Sie.« – »Großartig«, sagte Demetrius und sah sich schon mit vernichtender Schlichtheit diese Erklärung abgeben. »Da müssen sie mich dann natürlich zu ihrem Hauptmann machen«, freute er sich.
»Und nun wollen wir sehen«, überlegte Marull, »ob wir uns im weiteren Ablauf durch diese Idee mit den Leibeigenen nichts gefährden.« Und, wieder auf seine umsichtige Art, rekapitulierte er, während der Sekretär stenographierte, den Fortgang des Stückes: wie der berühmte Seeräuber, alt, fett und bürgerlich geworden, sich unter falschem Namen zur Ruhe gesetzt hat und wie er jetzt, behaglich verheiratet, die Ehrenämter seines Dorfes bekleidet. Da kommt ein Bettler, ein entlaufener Leibeigener, und erzählt, um sich mit Romantik zu umgeben und dadurch bessere Geschäfte zu machen, heimlich den Frauen, er sei der große, verschollene Räuber Laureol, nach dem die Polizei noch immer vergeblich sucht. Sogleich auch ist Geraun, Furcht und Bewunderung um ihn. Das hält der wirkliche Laureol nicht aus. Er flüstert seinen Freunden, seinen Kollegen im Magistrat zu, wer er ist. Aber jedermann hält es für einen guten Spaß, niemand glaubt ihm, nicht einmal die eigene Frau. Man lacht ihn einfach aus. Der fette Mann, immer mehr erbittert, besteht darauf, der große Seeräuber zu sein, er schäumt. Und da er keinen Glauben findet, bringt er schließlich die Beweise. Er trommelt seine alten Kumpane zusammen, die Leibeigenen, er liefert sich selber der Polizei, dem Gericht. Er endet am Kreuz, aber er hat bewiesen, daß er er ist. Und wenn die andern ihr Couplet singen: »Ich kenn die Peitsche, / Ich kenn das Eisen, / Ich kenn das Feuer, / Die Nakkenkette«, dann kann er mit Recht vom Kreuz her erwidern:
»Und ich, ich häng den
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