Die Söhne.
ganzen Tag am Kreuz.«
Das Gesicht fast töricht vor Aufmerksamkeit, hörte Demetrius zu, wie Marull den Inhalt des Stückes zusammenfaßte. Ja, nun war es endlich da. Das war das Stück, von dem er geträumt hatte, sein Stück. Jetzt war aus der sentimental pathetischen Gestalt des alten Seeräubers das geworden, was er darstellen wollte, ein Symbol des Rom von heute. »Ja«, atmete er tief auf, als Marull geendet, »das ist es, jetzt haben wir es. Jetzt haben Sie es«, korrigierte er sich höflich. »Dafür kann ich Ihnen mein ganzes Leben lang nicht genug danken«, fügte er voll tiefer Freude hinzu.
»Wissen Sie«, fragte Marull zurück und klopfte nachdenklich mit seinem eleganten Bettelstab den Boden, »wem Sie in Wahrheit zu danken haben? Unserem Freund Johann von Gischala. Ich weiß, Sie mögen ihn nicht. Aber denken Sie nach, und sagen Sie selbst, ob wir ohne ihn auf diesen Laureol gekommen wären.«
Aber Demetrius Liban, ganz erfüllt von innerer Freude, dachte keineswegs an die Parallelen, die das Schicksal dieses Laureol, wenigstens in seinem ersten Teil, mit der Geschichte des Nationalhelden Johann von Gischala aufwies. Er atmete vielmehr tief auf, mehrmals. Eine große Last fiel von ihm ab. Es war dies: Jahve hat sein Antlitz von ihm abgewandt, und daß die Arbeit der letzten Wochen so schwunglos geblieben war, hatte ihm bestätigt, daß Gott ihm noch immer zürnte. Denn noch immer nicht war die Rechnung zwischen ihm und Jahve ausgeglichen. Ganz abgesehen von der Sache damals mit dem »Juden Apella«, war er, solange der Tempel stand, niemals seiner Verpflichtung nachgekommen, nach Jerusalem zu wallfahrten. Seine Absicht zwar war es immer gewesen, und er hatte Entschuldigungsgründe. Wirkte er nicht hier in Rom auf seine Art zur größeren Glorie der Juden und somit zur Ehre Jahves? Verwandte er nicht seinen Einfluß und einen Teil seines Einkommens für jüdische Zwecke? Zudem litt er unter der Seekrankheit und hatte sogar aus diesem Grund lokkende Gastspiele nach dem verhältnismäßig nahen Griechenland abgelehnt. War er es nicht seiner Kunst schuldig, Leib und Geist frisch zu erhalten? Das waren gewiß triftige Gründe. Ob sie aber vor Jahve verfingen, daran zweifelte er im stillen. Denn hätte Jahve sie gelten lassen, dann hätte er ihn wohl kaum mit so vielen Heimsuchungen geschlagen. Jetzt aber sah er die Wolken verfliegen. Jahve wandte ihm sichtbarlich sein Antlitz wieder zu. Liban dankte seinem Gott mit all seinen Gebeinen, daß er dem Marull diese herrliche Idee mit den Leibeigenen gesandt hatte.
Laß es gelingen, betete er in seinem Herzen, führ es gut hinaus. Und ich will, gleich nachdem ich den Laureol gespielt habe, ich will nach Judäa fahren. Glaub es mir, Adonai, ich will. Bestimmt werde ich hinfahren, auch wenn dein Tempel nicht mehr steht. Nimm es an. Laß es nicht zu spät sein. So eifrig dachte er, daß er, der sonst so Beherrschte, die Lippen bewegte und Marull ihn mit amüsiertem Erstaunen ansah.
Sehr viele und sehr verschiedene Menschen der Stadt Rom trafen ihre Vorbereitungen für die bevorstehende Ankunft der Prinzessin Berenike.
Quintilian, einer der am meisten geschätzten Redner und Anwälte, Inhaber des Goldenen Rings des Zweiten Adels, arbeitete Tag und Nacht an der Ausfeilung der beiden Plädoyers, die er seinerzeit als Anwalt der Prinzessin vor dem Senat gehalten hatte. Es war kein unmittelbarer prozessualer Anlaß, der ihn genötigt hätte, die beiden Reden auszuarbeiten. Sie hatten ihre Wirkung längst getan, die eine war vor drei, die andere vor vier Jahren gehalten worden. Aber Quintilian war in stilistischen Fragen sehr delikat, und die Stenographen hatten damals hinter seinem Rücken seine Reden für die Fürstin Berenike in einer Fassung publiziert, die von Hör- und Schreibfehlern strotzte. Ihn, dem ein nachlässiges Übergangswörtchen, ein falsches Komma den Schlaf raubte, hatte es krank gemacht, daß Reden in so übler Form unter seinem Namen in der Welt verbreitet waren. Nun die jüdische Fürstin kam, wollte er ihr die beiden Plädoyers in einer Fassung überreichen, für deren winzigste Details er einstehen konnte.
Auch in das Leben und in den Tageslauf des Hauptmanns Kattwald griff die bevorstehende Ankunft der Prinzessin ein. Kattwald, oder wie er sich jetzt nannte, Julius Claudius Cha tualdus, der Sohn eines deutschen Stammeshäuptlings, war in zartem Alter als Geisel an den Hof des Kaisers Claudius, gekommen. Der
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