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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Soldaten Deleven und von den Holtzenauen trafen mit jedem ihrer Schüsse. Der Infanteristenzug präsentierte unter Korporal Garsids Kommando ein paar Formationen zum Schutz des Fernwaffenzuges und stürmte einmal beherzt gegen einen überhaupt nicht vorhandenen Feind vor.
    Oberst Jenko war zufrieden und stimmte mittelfristig einer Aufstockung der Dritten Kompanie auf die ansonsten üblichen dreißig Mann zu.
    Dann, am 25. Rauchmond, hielt zum ersten Mal, seitdem Eremith Fenna hier Dienst tat, der Tod Einzug in der Festung Carlyr.

2

    Hauptmann Gollbergs Erste Kompanie kehrte vom Einsatz im Feindesland zurück und hatte zwei Soldaten und ein Pferd verloren. Gerüchte schossen rasend schnell ins Kraut, aber es klärte sich beinahe ebenso schnell auf, dass die Verluste nicht auf einen Angriff der Affenmenschen zurückzuführen waren, sondern auf ein Rudel ausgehungerter Haihunde. Die Bestien hatten zu zwanzigst – einige Soldaten erzählten später, es seien nur sieben oder acht gewesen – das hinterste Pferd attackiert, obwohl die gesamte Formation in militärisch vorbildlicher Ordnung geritten war. Pferd und Reiter waren zu Boden gegangen und in rasender Geschwindigkeit zerfleischt worden. In dem entstehenden Tumult sei ein zweiter Soldat weiter vorne von seinem Pferd abgeworfen worden. Die gellenden Schreie dieses Mannes verfolgten alle Dabeigewesenen noch Wochen später im Schlaf. Mit Mühe war es Hauptmann Gollberg gelungen, seine Mannen von sinnlosen Rettungsversuchen abzuhalten, sonst wäre es wohl noch zu weit höheren Verlusten gekommen. Hatte ein Haihund nämlich erst einmal Blut geschmeckt, verwandelte er sich in ein schnappendes, reißzahnbewehrtes Maul, dass sich wie hirnlos auch von schwersten eigenen Verletzungen nicht vom Schlingen abhalten ließ.
    Gollberg tobte durch die Festung wie ein Rasender. Nichts konnte ihm mehr zusagen, die gesamte Festung schien ihm ein »marodes Furzkissen für fett gewordene Zivilisten« zu sein, während seine Leute »da draußen den Kopf hinhalten« mussten, damit der Kontinent weiterhin »ungerührt an sich selbst herumspielen« konnte. Nur langsam gelang es Oberst Jenko, Ruhe und Ordnung in seinen herausragendsten Offizier zurückzuzwingen.
    Die Meldung vom Tod zweier Soldaten, von Festungskameraden, denen man noch Anfang dieses Mondes im Manöver freundschaftlich rivalisierend gegenübergestanden hatte, versetzte auch der Dritten Kompanie einen nicht zu unterschätzenden Hieb. Behnk brach sogar in Tränen aus, obwohl er die beiden Gefallenen so gut wie überhaupt nicht gekannt hatte. Die schmucken Uniformen, die sie alle trugen, schienen mit einem Mal durchlässig geworden zu sein wie feinste Seide, durchlässig für Reißzähne und Klauen aller Art.
    Die Leichname der beiden Gefallenen hatten nicht geborgen werden können – Haihunde pflegten selbst Knochen zu zermalmen und zu verdauen. Dennoch wurde am 27. Rauchmond in der Kapelle ein Götterdienst für die Toten und das gesamte Regiment abgehalten, für das eigens eine Senchakpriesterin namens Secesti aus einem nahe gelegenen hesselyschem Dorf namens Bleuken angefordert worden war.
    Die Grünhörner hatten noch niemals eine Frau wie Secesti gesehen. Brandversehrt, muskelknotig, narbenübersät, haarlos, den nachgerade männlich kleinen Busen kaum verhüllt, mit herben Falten im Gesicht und Tierknochenasche unter den Augen, sang sie düstere Lieder in einer alten, vergessenen Sprache und deklamierte mit tiefer, rollender Stimme den offiziell-königlich-militärischen Grablegungsritus. »Im Glanze der Krone bist du zu den Schatten gefallen, aus den Reihen deiner Kameraden hat dich dein Geschick herausgebrochen, aus den Augen der Königin hat dich ein Sturmwind gerissen, das Alter und die Ruhe bleiben dir verwehrt. Dendo Mikerlind und Igan Seykar Ruiv, die ihr Soldaten gewesen seid der überdauernden Familie Carlyr – Senchak wird euch nicht vergessen, und wir werden euch auch nicht vergessen. Ihr seid gefallen als Soldaten, habt euren letzten Atemzug getan als Soldaten, seid dem Tod entgegengeritten als Kavalleristen und werdet in Ewigkeit weiterreiten in den Reihen der Helden, die vor euch gegangen sind und nach euch kommen werden. Senchak empfängt euren Geist, gürtet euch neu in Waffen aus silbernem Licht und erfrischendem Tau und führt euch jener Bestimmung zu, die zu erfassen allein den Göttern vorbehalten ist.«
    Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf die Grünhörner der Dritten Kompanie, die

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