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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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sich zu verteidigen. Es würde zu einem Massaker kommen. Abdi packte seinen Sohn an der Hand, drehte sich um und humpelte so schnell wie möglich zur Hütte zurück.
    Es war zu spät. Die ersten drei Laster hatten sie eingeholt. Abdi warf einen Blick über die Schulter. Einer der Laster fuhr zwei der jungen Männer in den Rücken. Schreie waren zu hören, das Brechen von Knochen, als die großen Räder sie überfuhren.
    Der erste Truck überholte Abdi und Khalid. Er bremste abrupt, versperrte ihnen den Weg. Die Beifahrertür platzte auf, ein imposanter Mann in Uniform sprang heraus. Er trug eine dunkelgrüne Armeemütze, dunkle Sonnenbrille und einen Patronengurt quer über der Brust. Abdi verließ der Mut vollends: Der Mann sah aus wie der typische Kriegsherr, wie er sie überall in Somalia gesehen hatte. Plündernd waren sie an die Macht gekommen. Diesen Mörder um Gnade zu bitten, hätte nicht den geringsten Sinn.
    Der Kriegsherr tat zwei Schritte auf sie zu und blieb dann stehen, um sie zu mustern. Abdis Puls raste. Noch mehr Schweiß als gewöhnlich strömte ihm von der Stirn in die Augen, die zu brennen begannen. Er wischte den Schweiß aber nicht ab für den Fall, dass der Kriegsherr die Geste als Bedrohung interpretierte. Sein gutes Bein bebte vor Angst. Er legte mehr Gewicht auf den Stock, aber auch sein Arm konnte nicht mehr. Ihm wurde schwindelig. Der Boden schien sich zu bewegen. Die Schreie der Menschen und die Schüsse traten in den Hintergrund.
    Er wusste nur noch eines: Jetzt war es aus.
    Seine Faust umschloss den Stock fester, damit der Arm zu zittern aufhörte. Neben ihm wimmerte Khalid wie ein verängstigter kleiner Hund. Abdis Hand umschloss die seines Sohnes in einer tröstlichen Geste, aber Khalid wimmerte nur noch mehr.
    Der Kriegsherr tat einige weitere Schritte auf ihn zu, bis er direkt vor Abdi stand, ihre Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt. Er hatte kalte, schwarze Augen. Er kaute Khat und wandte sich gelegentlich zur Seite und spuckte etwas davon aus. Als der Mann den Mund aufmachte, roch er seinen stinkenden Atem und konnte die schwarzen, fauligen Zähne mit den Fetzen von Khatblättern dazwischen sehen. Trotz der Mittagshitze überlief Abdi ein Schauer. In einer Geste der Unterwürfigkeit senkte er seinen Blick. Khalid begann zu heulen.
    Zwei Milizleute tauchten hinter dem Kriegsherren auf. Der eine zog eine Pistole und richtete sie auf Abdis Kopf. Er stieß ihn zu Boden, zwang ihn auf die Knie. Die drei Männer lachten und hielten sich die Bäuche dabei, als wäre das Ganze ein Witz.
    »Bist du auch so ein Schwächling wie die anderen?«, fragte der Kriegsherr.
    Abdi schloss die Augen und betete unter verhaltenem Atem. »Im Namen Allahs, in dessen Namen nichts auf der Erde sowie im Himmel Schaden nimmt. Er ist der Allhörende, der Allwissende…«
    »Ich habe dich was gefragt«, sagte der Kriegsherr.
    Abdi spürte einen scharfen Schlag gegen die Backe, aber er hielt dem Mann stand und weigerte sich zu fallen.
    »Hast du keine Zunge mehr? Vielleicht sollten wir dir sie rausschneiden.«
    Der Kriegsherr und seine Männer lachten wieder. Abdi biss die Zähne zusammen. Zorn erfüllte ihn wie geschmolzene Lava und mischte sich mit der eisigen Angst. Er zwang sich stillzuhalten. Jede Bewegung, jedes Zeichen von Aggression würde unweigerlich zu ihrem sofortigen Ende führen. Er wiederholte sein Gebet und wartete. Aber nichts geschah.
    Nach einer Weile öffnete er die Augen. Drei Weiße hatten sich dem Kriegsherrn angeschlossen, der seine Pistole weggesteckt hatte. Sie trugen schwarze Kampfanzüge mit einem kleinen Abzeichen – zwei gekreuzte Gewehre mit einem Schild – auf der Brust. Sie trugen Sonnenbrillen; ihr Haar war kurz. Sie hatten Messer, Pistolen, Handgranaten und Munition an den Gürteln und hässliche Maschinenpistolen in der Armbeuge. Sie waren nicht ganz wie die amerikanischen Soldaten gekleidet, denen Abdi zehn Jahre zuvor begegnet war. Vielleicht waren es Geheimagenten oder Söldner. Sie plauderten mit dem Kriegsherrn, waren aber nicht nah genug, um etwas mitzubekommen. Gelegentlich sahen sie Abdi und Khalid dabei an.
    »Die beiden tun’s«, rief der Kriegsherr und wies auf Abdi und seinen Sohn. »Schafft sie in den Truck.«
    Zwei Milizleute packten Abdi und Khalid bei den Armen und zerrten sie auf den ersten Truck zu, während die drei Weißen wieder gingen. Khalid schrie protestierend auf. Einer der Milizleute schlug ihm die Faust erst gegen den Kopf, dann

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