Die Somalia-Doktrin (German Edition)
gelangen zu wollen, hatte erst gar keinen Zweck.
Er warf einen Blick auf die Abflugstafel. In knapp einer Stunde startete eine Kenya Airways-Maschine nach Nairobi. Jim ging hinüber zum Schalter der Fluglinie und wartete nervös darauf, dass jemand kam. Fünf Minuten später kam eine schlanke junge Äthiopierin in der roten Uniform von Kenya Airways angeschlendert und baute sich hinter dem Computerterminal auf.
»Ich hätte gern ein Ticket nach Nairobi«, sagte Jim.
»Hmmmm?«
»Ein Ticket. Ich brauche ein Ticket für Ihren nächsten Flug.«
»Alles ausgebucht, Sir.«
»Auch die erste Klasse?«
Sie starrte auf den Bildschirm und hantierte mit der Maus.
»Auch die erste Klasse?«, wiederholte er. Eine inkompetente Angestellte! Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Nicht vor morgen um 7.20 Uhr, Sir.«
»Dann nehme ich den.«
Nicht gerade das Gelbe vom Ei. Er bezahlte, steckte das Ticket ein und hielt mit pochendem Herzen auf die Passkontrolle zu. Er würde im Flughafen übernachten müssen und konnte nur hoffen, dass Mohammad ihn dort nicht fand. Er warf einen Blick zurück zum Ticketschalter: Die Frau dort telefonierte aufgeregt und starrte ihn dabei an.
Litt er etwa schon an Verfolgungswahn?
Der Beamte von der Passkontrolle, ein großer Mann mit müden Augen und Speckwülsten über dem Kragen, blätterte Jims Pass durch und sah sich jede Seite akribisch an. Jim spürte, wie ihm der Schweiß in den Nacken lief. Der Beamte sah zu ihm auf und wieder zurück in den Pass. Er tippte etwas in seinen Computer. Dann drückte er hier und da Stempel sowohl in den Pass als auch auf einige Papiere und gab Jim das Ganze mit einem beiläufigen Nicken zurück.
Nachdem er die Sicherheitskontrolle passiert hatte, sank Jim im nächsten Café auf einen Stuhl. Er hatte noch neun Stunden, bevor er außer Landes wäre. Und selbst dann hätte er das längst noch nicht hinter sich. Interpol hatte ihn fallen lassen und war wahrscheinlich ebenfalls hinter ihm her. Sarah war nicht zu erreichen, wenn nicht gar tot. Universal Action hatte sich auf ihn eingeschossen, und deren finsteres Netz überspannte ganz Afrika.
Er sah sich die anderen Leute im Café näher an: das weiße Paar, das leise in einer Ecke stritt; die Familie, deren Kinder Amok liefen; den afrikanischen Geschäftsmann mit der
International Herald Tribune
. Keiner von ihnen blickte verstohlen in seine Richtung oder fiel sonst weiter auf. Was noch lange nicht hieß, dass nicht einer von ihnen auf ihn angesetzt war.
Während der Aufruhr der Flucht sich zu legen begann, starrte Jim auf die Rollbahn hinaus, die ein träger Nieselregen mit einer glänzenden Wasserschicht überzog. Er ging zum Flugsteig und suchte sich einen Platz mit einem guten Überblick. Dann wartete er. Er musste sichergehen, dass ihm niemand folgte. Drei Stunden später übermannte ihn die Erschöpfung; er legte sich auf drei Sitzen quer und schloss die Augen. Seine Gedanken waren noch immer nicht zur Ruhe gekommen, aber schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf.
Ein Tippen auf der Schulter ließ Jim auffahren.
»Hallo«, sagte eine Stimme, die er sofort erkannte. Noch im Aufsetzen fuhr er herum.
Es war Maxine. Wieder mal.
Was gar nicht gut war. Offensichtlich hatte sie aus dem Laster entkommen können. Sie hatte Kontakt zu Universal Action aufgenommen und jetzt war sie hier. Sein Blick hetzte nach rechts und links auf der Suche nach einem Fluchtweg, aber er wusste sehr wohl, wie sinnlos das war. Wahrscheinlich hatte UA Leute an den Ausgängen stehen für den unwahrscheinlichen Fall, dass er sich da irgendwie herausreden würde.
Jim rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
»Hi, Maxine. Wie geht’s?«
Was für eine erbärmliche Begrüßung. Wie sollte es ihr gut gehen, nachdem sie tagelang gefesselt hinten in einem Laster gelegen hatte? Er warf einen Blick auf die Uhr neben der Abfluganzeige: 6.24.
Sie setzte sich auf den Platz neben dem seinen und wischte sich das lange Haar aus dem Gesicht, eine Geste die ihn an einen glamourösen Fernsehstar aus einer amerikanischen Serie der 50er-Jahre erinnerte, deren Name ihm nicht einfiel. In Erwartung einer vernichtenden Tirade biss er die Zähne zusammen.
Aber sie legte nur eine Hand auf die seine.
Er zuckte zusammen und entzog sich ihr.
»Jim, ich bin auf deiner Seite.«
»Was?«
»Ich wollte dich da draußen nicht umbringen.«
»Ach.« Jim sah sie argwöhnisch an.
»Im Ernst. Harry
Weitere Kostenlose Bücher