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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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sich an wie ein Professor. »Sie wissen vermutlich um die unselige Bilanz von Friedensmissionen. Die meisten scheitern. Nehmen Sie nur Operation Restore Hope, den Einmarsch der USA Ende der 1990er-Jahre in Somalia, der Millionen vor dem Hungertod bewahren sollte. Ein totales Desaster. Die Verhandlungen der Amerikaner mit all den zerstrittenen Clans, Unterclans und Kriegsherren verliefen im Sand.«
    »Allerdings«, nickte Jim.
    »Und dann schoss man den amerikanischen Helikopter ab und zog die Leiche des amerikanischen Soldaten durch Mogadishu. Erinnern Sie sich an die Bilder des höhnischen Mobs?«
    »Lebhaft.«
    »Das war ganz großes Fernsehen.« Victor grinste. »Erinnern Sie sich an diesen amerikanischen Fernsehmoderator, Dan, wie heißt er doch gleich wieder…«
    »Dan Rather.«
    »Genau der. Die Bilder von ihm in seinem offenen Hemd, als er das Ganze einen ›Abstieg in die Hölle‹ nannte? Was für eine Show!«
    »Ich denke doch.« Jim wurde unruhig. Er war nicht zu einem Vortrag gekommen.
    »Damals«, sagte Victor, »wurde die Somalia-Doktrin geboren.«
    »Die was?«
    »Die Somalia-Doktrin. Dem Vietnam-Syndrom nicht ganz unähnlich. Aufgrund des Fiaskos in Somalia argumentierten amerikanische Entscheidungsträger, die USA sollten sich in Krisen fernab ihrer eigenen Grenzen nur einmischen, wenn die eigene Sicherheit auf dem Spiel steht. Deshalb erleben wir die letzten fünfzehn Jahre eine Privatisierung des Kriegs. Staaten sind nicht mehr so ohne weiteres bereit, das Leben ihrer eigenen Soldaten zu riskieren. Also heuert man Firmen wie Blackwater an.«
    »Oder MainShield.«
    »Darauf wollte ich eben kommen. Aber Sie verstehen mich, ja?«
    »Das macht es auch nicht richtig.«
    »Richtig oder falsch, das spielt dabei keine Rolle.« Victor legte die Fingerspitzen aneinander. »Es geht um Zweckmäßigkeit. Darum, was man bei den Wählern durchbringt. Aber darauf will ich nicht hinaus.«
    »Worauf dann?«
    »Darauf, dass es keine Hoffnung für gescheiterte Staaten wie Somalia gibt, die Demokratische Republik Kongo, Liberia und wie sie alle heißen, es sei denn, wir entwickeln eine neue Form der Intervention. Eine die zu einer Entwicklung führt.« Victor hielt inne, um das Gesagte wirken zu lassen. »Und wer wäre dafür besser geeignet als die großen NROs?«
    Jim unterbrach ihn. »Hören Sie, Sarah meinte, sie hätten mir was zu sagen.«
    »Das habe ich durchaus. Ich komme noch darauf.« Victor beugte sich vor und flüsterte: »Universal Action hat mich gebeten, auf den britischen Botschafter einzuwirken, sich im Sicherheitsrat für sie stark zu machen. Man will eine Resolution, die ihnen eine eigene Streitmacht zugesteht.«
    »Dessen bin ich mir bereits bewusst.«
    »So eine Resolution durchzubekommen, ist gar nicht so einfach.« Victor machte große Augen. »Aber wenn man an den richtigen Strippen zieht, vor allem mit Unterstützung des Außenministers, dann ist es durchaus zu machen. Der wesentliche strittige Punkt ist nur, ob unser Fall unter Chapter VI oder Chapter VII fällt.«
    »Und das heißt?«
    »Chapter VI-Resolutionen dienen der friedlichen Beilegung von Zwistigkeiten. Sie sind rechtlich nicht verbindlich. Zu Chapter VII-Resolutionen kommt es in Fällen, in denen man den Frieden gefährdet sieht. Sie sind rechtsverbindlich.«
    »Hört sich nicht so an, als wäre Universal Action nach einer friedlichen Lösung«, sagte Jim.
    »Genau deshalb habe ich auf Chapter VII gedrängt. Rechtsverbindlich ist immer besser. Das gibt einer Resolution den nötigen Biss.«
    »Und was wollen Sie damit sagen? Dass Sie bei der UNO als Lobbyist für Universal Action tätig waren?«
    »Genau.«
    »Das weiß ich doch längst.« Jim stand auf. »Sie verschwenden meine Zeit.«
    »Warten Sie.« Victor beugte sich vor und griff nach Jim, aber der Schreibtisch war zu breit für seine kurzen, feisten Arme. »Es gibt noch mehr.«
    Jim sank wieder in den Stuhl. Zum ersten Mal sah er Angst in Victors Augen.
    »Ich bin Pragmatiker«, sagte Victor. »Aber in diesem Fall geht UA zu weit. Ich bin dahintergekommen, was die vorhaben. Ich war bei ihrem Meeting in Nairobi. Das Ganze ist Wahnsinn. Sie wollen Afrika ein zweites Mal kolonisieren.«
    Er verstummte, als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen. Jim beugte sich vor.
    »Ist Ihnen klar, wer Harry wirklich ist?«, fragte Victor schließlich. »Wissen Sie etwas über seine Vergangenheit? Was er getan hat? Mit wem er zu tun gehabt hat?«
    »Nicht allzu viel. Sagen Sie es mir.«
    »Er

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