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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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der Hand.
    Wieder sah er sich um.
    Narbengesicht hatte weitere zwei Meter aufgeholt.
    Nach einer Ewigkeit, wie es schien, kamen sie oben an. Die Mutter stand schreiend in einer Ecke. Horden von Menschen drängten an ihr vorbei. Der Kleine auf Jims Schulter regte sich. Er reichte ihn seiner Mutter. Schluchzend nahm sie ihren Sohn in die Arme.
    »Jim!«
    Es war Sarah. Narbengesicht hatte sie eingeholt und ihr einen Arm um den Hals gelegt. Mit der anderen griff er in die Tasche.
    »Jim, lauf!«, schrie Sarah über dem Lärm.
    Sie drehte sich so, dass sie Narbengesichts Blickfeld auf ihn blockierte. Jim stach auf sie zu. Ein großer Mann in einem roten Fußballtrikot stolperte ihm in den Weg. Jim stieß ihn beiseite. Er erspähte die beiden wieder und arbeitete sich auf sie zu. Narbengesicht zerrte Sarah an eine Wand. Sie wehrte sich, biss ihm in den Arm, versuchte sich loszureißen. Sie stieß mit dem Ellbogen nach seinem Gesicht. Schließlich kam sie mit einer Drehung frei und sprang davon.
    Die Rolltreppe spuckte eine Gruppe junger Leute aus, was Sarah wieder dem Narbengesicht in die Arme trieb. Jim sah sich in die entgegengesetzte Richtung gezerrt. Sein Blick traf sich einen Augenblick mit Sarahs. Er hörte einen Schuss. Sarahs Körper erschauerte. In ihrem Mundwinkel erschien etwas Blut. Sie entschwand seinem Blick.
    Leute schrien. Eine Frau neben ihm fiel in Ohnmacht und die Menge trampelte über sie hinweg. Jim sah sich von einer weiteren Welle erfasst, die ihn auf den Ausgang zu spülte wie eine starke Strömung in einem Fluss. Er sah über die Schulter. Narbengesicht sah sich wie ein gestelltes Raubtier nach einem Fluchtweg um. Sein Blick traf sich mit Jims. Jim duckte sich. Eine weitere Welle erfasste ihn und trug ihn die Treppe hinauf ans Tageslicht.
    Jim rieb sich die Augen. Er trat ins Freie. Die Straße hinter ihm war voller Polizeifahrzeuge, Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge. Ihre Lichter blinkten, es herrschte ein Höllenlärm. Direkt vor ihm führte ein Weg durch den Green Park. Er steckte sich das Hemd in die Hose. Mit zitternden Beinen folgte er der Menge den Weg entlang.
    Interpol hatte ihn fallen lassen.
    Nasir war tot.
    Sarah war tot.
    Maxine hielt man irgendwo fest.
    Jerome war eine unbekannte Größe für ihn.
    Er war allein.

Kapitel 38
    London, England
26. September 2003
    »Jim Galespi, schön Sie zu sehen.« Victor begrüßte Jim mit einem kräftigen Händedruck, als sie sich vorstellten. Sie befanden sich im fünften Stock des Ministeriums für Internationale Entwicklung. Jim folgte ihm durch ein Großraumbüro, an Reihen von Schreibtischen mit Beschäftigten des Ministeriums vorbei, in Victors Büro.
    Jim setzte sich auf einen lederbezogenen Bürostuhl vor Victors Schreibtisch. An den Wänden hingen Plakate, die den selbsterklärten Krieg des Ministeriums gegen die weltweite Armut dokumentierten: junge afrikanische Männer, die frisches Pumpenwasser tranken; lächelnde Frauen, die ihre Babys einem gestrengen weißen Arzt entgegenhielten; afrikanische Kinder vor einer Schule, die in die Kamera winkten, im Hintergrund ein allradgetriebenes Fahrzeug mit dem Logo des MfIE. Die Slogans auf den Plakaten lauteten unter anderem »Gegen die weltweite Armut mit dem MfIE«.
    Victor wirkte wie ein Zwerg in dem Chefsessel mit der hohen Lehne. Er war ein kleiner, dicker Mann, dem der zurückgehende Haaransatz und die dicke Brille etwas von einem gutmütigen Professor verliehen. Er saß mit dem Rücken zu einem großen Fenster mit Blick auf die Palace Street und eine Reihe hoher Gebäude. Er zog die Stirn in Falten und legte die Arme auf den Tisch.
    Jim wollte etwas sagen, aber Victor hob die Hand.
    »Wo ist Sarah?«
    »Die ist verhindert.«
    »Hat Sie nicht gesagt, sie würde mitkommen?«
    »Ihr kam was dazwischen.«
    »Ich verstehe.« Victor sah sich Jim genau an. »Kann ich Ihnen vertrauen?«
    »Das könnte ich Sie auch fragen.«
    Victor biss sich auf die Oberlippe. Jim begegnete seinem Blick.
    Schließlich begann Victor zu reden. »Mir bleibt keine große Wahl, ich muss da durch. Ich kann nur hoffen, dass ich das überstehe.«
    Jim umfasste die Armstützen des Stuhls. Ihm schwamm der Kopf von der nervösen Energie der Flucht und dem Schock über Sarahs Ermordung.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Victor.
    »Alles in Ordnung.«
    Der Anfall legte sich. Mit den emotionellen Nachwirkungen würde er sich später befassen.
    »Lassen Sie mich Ihnen die Situation erklären«, sagte Victor. Er hörte

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