Die Somalia-Doktrin (German Edition)
Fernseher war auf stumm gestellt, aber Jim konnte sich den Müll vorstellen, den Stephens von sich gab. Die Legende auf dem Bildschirm lautete: »Hunger und Massaker in Somaliland. Millionen gefährdet. UA fordert militärischen Eingriff.«
»Es ist nicht mehr lange hin«, sagte Sarah und wandte sich wieder den beiden zu.
»Was?«, fragte Jerome.
»Universal Actions Invasion in Somaliland.«
Teil III
Die Invasion
Kapitel 36
London, England
26. September 2003
Harry stellte den Fernseher ab, trank in einem Zug den Rest seines Whiskeys aus und knallte das Glas zurück auf den Tisch.
»Die Botschaft war klar«, sagte er an Jenny gewandt, die in einem Sessel vor dem Fernseher saß. »Das Logo war gut zu sehen. George hat sich an das Skript gehalten. Großartige Bilder von sterbenden Kindern. So was kommt an. Was sagen denn die Meinungsumfragen?«
Jenny blätterte sich durch ihre Unterlagen. »Die quantitativen Erhebungen unter der Bevölkerung zeigten gestern eine Zunahme von 45 auf 62% für eine militärische Intervention zur Rettung der Menschen in Somaliland. Es gab eine Zunahme von 51 auf 71% bei den positiven Reaktionen auf die Frage ›Sollte man internationalen Organisationen wie Universal Action militärische Interventionen zum Schutz der lokalen Bevölkerung und von Hilfsgüterlieferungen erlauben?‹ Nach der heutigen Medienoffensive dürften die Zahlen noch höher sein.«
Sie zog ein weiteres Blatt hervor. »Die Spenden sind auch gestiegen: 114 Millionen Dollar während der vergangenen vierundzwanzig Stunden. Das ist ein Rekord.«
Jenny trug ein enges grünes Kostüm, das sich, ihre Kurven betonend, an ihren Körper schmiegte. Zog sie sich mehrmals am Tag um? Harrys Blick klebte am Brustansatz im V-Ausschnitt ihres Tops. Edward hatte ihr aufgetragen, ihn auf seiner Mission in London zu begleiten. Harry konnte sein Glück kaum fassen.
Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn an.
»Was ist mit den Politikern?«, fragte Harry.
Jenny sah einen anderen Stapel Papiere durch. »Ich habe hier die Umfragen vom Montag: Im Kongress sind 67% davon überzeugt, dass die Vereinten Nationen der sich verschlechternden humanitären Situation in Afrika nicht mehr Herr werden. Nur ein paar mehr, nämlich 69%, sind der Ansicht, dass man unabhängigen Organisationen wie Universal Action mehr Verantwortung übertragen sollte.«
»›Mehr Verantwortung‹? Bisschen vage. Die Leute sollen ihre Fragen das nächste Mal präzisieren, sich auf die Befürwortung einer militärischen Intervention durch UA konzentrieren.« Er lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Trotzdem, die Ergebnisse sind ziemlich gut.«
Er befasste sich erst seit einigen Monaten mit Medienarbeit, legte aber bei der Manipulation von Journalisten ein außergewöhnliches Geschick an den Tag. Ob Jenny gemerkt hatte, wie gut er dabei war?
»Sehen Sie, Jenny, der Trick bei der Pressearbeit besteht darin, den Leuten zu geben, was sie wollen.«
Die mit dem Stift gezogenen Brauen angehoben, blickte sie zu ihm auf.
»Journalisten sind faul«, fuhr er fort. »Keiner checkt gern seine Fakten. Und dann stehen sie unter Druck: Deadlines, schreiende Chefredakteure. Sie haben Spalten zu füllen. Die Kapazität der Öffentlichkeit für Mitgefühl ist erschöpft, da braucht es schon Sensationen. Und da kommen wir ins Spiel. Sie verstehen, was ich meine?«
»Also ich finde Ihre Arbeit exzellent.«
War sie tatsächlich interessiert oder tat sie nur so?
»Es geht darum, ihnen was für die Tränendrüsen zu geben«, sagte er. »Ob es wahr ist, spielt keine Rolle. Das Wunderbare an den Medien ist, dass sie ihre Fehler nie eingestehen. Man kann ihnen jeden Quatsch zuspielen. Sie stürzen sich darauf wie Hunde.«
Er lachte.
Jenny zog die Stirn kraus. »Was, wenn man herausfindet, was da wirklich passiert?«
»Zerbrechen Sie sich da mal nicht Ihr hübsches Köpfchen. Wir entscheiden, was die zu sehen bekommen. Wir haben die maßgeblichen Sender und Blätter in die Lager geladen, dazu A-Listen-Promis, sogar den amerikanischen Vizepräsidenten. Den ganzen Medienzirkus. Wirklich Kopfschmerzen machen mir der französische Journalist und Interpol. Aber das haben wir auch bald im Griff.« Er warf einen Blick auf sein Telefon. Er hatte eine Nachricht von Patrick. »Wenn man vom Teufel spricht…«
»Ja?«
»Wir haben sie aufgespürt. Sie verlassen gerade ein Pub in der Nähe vom Leicester Square.«
Harry grinste. Dank der Informationen des Pariser Polizeichefs Gérard Dechamps
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