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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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Abdi.
    Andere Passagiere scharten sich um sie, um ihnen zuzuhören.
    Waabberi warf einen Blick auf sie. »Die kenianischen Behörden wollen euch nicht haben.«
    Eine Frau mit einem verkrüppelten Arm rief: »Wir sterben, wenn die uns nicht an Land gehen lassen.«
    Ein verhuschtes Murmeln ging durch die Umstehenden.
    »Beruhigt euch«, sagte Abdi. »Lasst mich mit dem Kapitän diskutieren.«
    Die Leute verstummten. Waabberi sah ihn dankbar an. Das Letzte, was er wollte, war eine Meuterei.
    »Komm mit in meine Kabine«, sagte er.
    Die Kabine war spärlich ausgestattet, eine verdreckte Matratze auf einer hölzernen Koje auf der einen Seite, ein ramponierter Tisch mit einem Stuhl auf der anderen. Waabberi setzte sich auf die Bettkante und wies auf den Stuhl. Der Fischer hatte dunkle Ringe unter den roten Augen und tiefe Furchen in seinem Gesicht.
    »Es sieht nicht gut aus«, sagte Waabberi.
    »Sie haben das schon von Anfang an gewusst, stimmt’s?«
    Waabberi antwortete nicht.
    »Sie haben das schon gewusst, bevor wir abgelegt haben«, sagte Abdi. »Deswegen sind auch nicht genug Wasser und Lebensmittel an Bord. Aber das Geld wollten Sie trotzdem.«
    Waabberis Augen wurden schmal. Was immer er an Wohlwollen für Abdi gehabt haben mochte, schien sich zu verziehen.
    »Passen Sie auf, was Sie sagen«, sagte er.
    »Also stimmt es, nicht wahr?«
    »Ich bin der Kapitän. Ich sollte Sie über Bord werfen lassen.«
    Abdi erhob sich. Trotz seines schlimmen Beins war er ein hochgewachsener Mann. Turmhoch stand er über dem Fischer. »Versuchen Sie es nur, Sie dreckiger Dieb. Warten Sie, bis die anderen das erfahren. Dann werden wir sehen, wer wen über Bord wirft.«
    »Machen Sie den Mund auf und ich befehle meinen Leuten zu schießen.«
    »Sie würden keine hilflosen Frauen und Kinder erschießen.«
    »Lassen Sie es drauf ankommen.«
    Die Frustration der vergangenen Tage, Wochen, Jahre stieg in ihm auf. Genau diese Art Mensch war das Problem seiner Heimat: eigensüchtige, skrupellose Menschen, denen nur an sich selbst lag. An sich selbst und am Geld.
    Mit beiden Fäusten zuschlagend, stürzte er sich auf Waabberi und warf ihn zurück auf das Bett. Der Fischer brachte in seiner Überraschung nur ein Wimmern heraus. Abdi legte seinen Unterarm um Waabberis Hals und pinnte ihn auf die Matratze, während er mit der anderen seine Taschen durchging. Er brachte eine Pistole zum Vorschein und ein scharfes Messer.
    Aber Waabberi entwand sich seinem Griff und schlug ihm mit der Faust so hart gegen die Schläfe, dass Abdi benommen war. Nun schlang er Abdi einen Arm um den Hals und riss ihn auf sich zu. Mit der anderen Hand schlug er ihm so kräftig auf das Handgelenk, dass er die Waffen losließ. Mit erstaunlicher Kraft drehte der Kapitän Abdi herum, stieß ihn zu Boden und trat ihn, bis das Knacken von Rippen zu hören war.
    Die Arme um die Seiten geschlungen, lag Abdi da.
    Waabberi hob Pistole und Messer auf. Er öffnete die Kabinentür und rief einen aus seiner Mannschaft, einen großen Kerl mit dunkler Sonnenbrille.
    Er wies auf Abdi: »Kette den hier auf dem Deck an. Als Warnung für die anderen.«
    Abdi versuchte davonzukriechen, aber der Seemann holte ihn ein, versetzte ihm einen Tritt und zerrte ihn hinaus aufs Deck. Er kettete ihn an einen eisernen Ring. Abdi sah sich um. Der Schmerz raubte ihm schier den Verstand. Die anderen Passagiere starrten ihn angsterfüllt an. Nicht einer kam ihm zu Hilfe. Khalid lag noch in der Ecke. Abdi sah, dass sein Sohn vom Fieber geschüttelt wurde. Er versuchte zu ihm hinüberzukriechen, aber die Kette war einfach zu kurz.
    Die Nacht brach herein. Nach und nach schliefen die Passagiere ein. Abdi lag auf dem Rücken und starrte in den Sternenhimmel; sein Körper brannte; seine Gedanken rasten. Wenn sie nach Somalia zurückkehrten, würden er und sein Sohn nie überleben. Die Miliz würde ihn aufspüren. Wie käme er da nur wieder heraus?
    Tags darauf gab Waabberi die Rückkehr nach Brava bekannt. Einige der Passagiere protestierten. Waabberi und seine Mannschaft zeigten ihnen ihre Kalaschnikows, was die Leute rasch den Mund halten ließ.
    Einer der Passagiere, eine ältere Angehörige der Frau, die bei der Entbindung gestorben war, trat an Abdi heran.
    »Ich glaube, deinem Sohn geht es gar nicht gut.« Sie wies auf Khalid, der reglos auf dem Rücken lag, die Augen geöffnet, die Lider starr.
    Abdi rang nach Atem. An der Kette ziehend versuchte er seinen Sohn zu erreichen. Er rief, man solle ihn

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