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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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freilassen. Waabberi kam aus der Kabine gerannt, sah Abdi und trat ihm in den Bauch.
    »Sei still, du Hund«, sagte er.
    »Nein«, schrie Abdi.
    Er stürzte sich auf den Kapitän und riss ihn aufs Deck. Er kletterte über ihn und zog ihm mit den Fingernägeln tiefe Furchen durchs Gesicht. Waabberi nahm die Arme hoch, um sich zu schützen, aber Abdi kniete sich auf die Oberarme und pinnte sie auf das Deck. Blind vor Zorn legte Abdi dem Mann die Hände um den Hals und begann ihn zu würgen. Waabberi traten die Augen aus den Höhlen, sein Gesicht lief rot an. Unter gurgelnden Lauten warf er den Kopf hin und her. Aber Abdis Würgegriff lockerte sich keinen Deut, selbst als Waabberis Körper schlaff wurde und die anderen Passagiere Abdi von ihm herunter zu zerren versuchten.
    Die ältere Frau kniete neben Abdi nieder.
    »Er ist tot«, sagte sie. »Du kannst loslassen.«
    Abdi reagierte nicht. Tief eingegraben, umklammerten seine Finger Waabberis Hals.
    »Ich habe gesagt, er ist tot«, wiederholte die alte Frau in Abdis Ohr. Als löste er sich aus einem Bann, ließ Abdi von Waabberi ab und sah sich seine blutigen Hände an.
    Die alte Frau durchsuchte Waabberis Kleidung und fand einen Schlüsselring. Sie löste Abdis Kette. Er raffte sich auf. Aus welchen Gründen auch immer hatte die Mannschaft sich nicht eingemischt. Er hatte bereits mitgekriegt, dass sie seit Wochen keine Heuer mehr bekommen hatten. Vielleicht hatten sie genug von ihrem Kapitän und waren froh, ihn los zu sein.
    Er hinkte über das Deck hinüber zu Khalid, der immer noch auf dem Rücken auf dem Deck lag. Abdi kniete neben seinem Sohn nieder und nahm seinen Kopf in den Arm. Die Augen des Kleinen lagen tief in den Höhlen. Sein Körper war kalt und leicht. Seine Schulterblätter staken hervor und seine Haut war blass.
    »Mein Sohn, mein armer Sohn«, wiederholte Abdi immer und immer wieder. Die alte Frau kniete jetzt neben ihm.
    »Er ist bei Allah«, sagte sie leise. »Ihm tut jetzt keiner mehr was.«
    Zärtlich schloss Abdi seinem Sohn die Augen. Er sah so friedlich aus, als schlafe er und würde jeden Augenblick aufwachen. Warum hatte Allah ihm den auch noch genommen? Warum hatte Allah ihm alles genommen, was ihm je etwas bedeutet hatte? Abdi hatte fast seine ganze Verwandtschaft verloren: seine Frau, seine Töchter, seinen Bruder, seine Schwester, so viele Freunde.
    Und jetzt seinen einzigen Sohn.
    Abdi hielt Khalid an die Brust gedrückt. Seine Augen waren trocken, als hielte der Schock die Tränen zurück. Er hatte das Gefühl einer zentnerschweren Last auf der Brust.
    Es würde einige Tage dauern, bis das Schiff wieder in Somalia war. Während dieser Zeit konnte er trauern. Dann wollte er sich überlegen, was zu tun war. Er hatte nichts mehr, für das zu leben sich lohnte, außer seiner Rache. Rache gegen den Kriegsherrn, der seine Familie und seinen Clan auf dem Gewissen hatte.
    Er würde Mittel und Wege finden, ihren Tod zu rächen, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Kapitel 45
    Heathrow Airport, London, England
27. September 2003
    Jim reichte seinen Pass einem Beamten von der Passkontrolle. Der Mann schlug ihn auf der Seite mit dem Foto auf und sah es sich genau an. Dann ging er die anderen Seiten durch, die mit einer ganzen Reihe verschiedenster Stempel versehen waren, und legte den Pass auf den Scanner. Er blickte auf seinen Bildschirm, dann wieder auf Jim.
    Jim fühlte sich geradezu unnatürlich ruhig, obwohl die Folgen einer Festnahme ganz ungeheuer gewesen wären. Aber er wusste, was zu tun war: Es ging jetzt darum, Maxine und die beiden somalischen Flüchtlinge aufzuspüren; dann würde er auf Harry warten und Universal Action auffliegen lassen. Seine Aufgabe schien unmöglich in ihrem Ausmaß, aber er verspürte eine ruhige Entschlossenheit. Er hatte keine andere Wahl: jemand musste Universal Action Einhalt gewähren.
    Er nahm den Pass wieder an sich und lächelte den Beamten von der Einwanderungsbehörde an. Zehn Minuten später saß er in der Abflughalle. Er sah sich die anderen Passagiere an. Es war die übliche Mischung aus afrikanischen Familien, die nach Hause zurückkehrten, Geschäftsleuten in Anzügen, Mitarbeitern von NROs und Touristen in T-Shirts und Jeans. Jeder von ihnen konnte auf Harrys Lohnliste stehen, Männer wie Frauen. Es war ihnen nicht anzusehen, also schloss er die Augen, lehnte sich zurück und widmete sich seinem Plan.
    Er hatte vor dem Hotel gewartet und die Konfrontation zwischen Harry und Edward verfolgt. Ein Streit

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