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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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einen Zeigefinger und sagt leise: »Was übrigens immer noch nicht gut ankommt, aber heute verbrennen sie einen nicht mehr dafür.«
    Also macht der Ungebrochene Buchrücken ja doch Fortschritte – kleine.
    »Jedenfalls hat er einen Schwung Codices Vitae und ein paar silberne Gabeln und Löffel geklaut – wir hatten damals einen noblen Speisesaal. Und dann hat er die Gerritszoon-Patrizen mitgehen lassen. Manche meinen, aus Rache, aber ich glaube, er hat eher aus Not gehandelt. Fließend Latein zu können bringt einen in New York nicht weiter.«
    »Du sagtest doch, man hat ihn erwischt.«
    »Stimmt. Er hat niemanden gefunden, der die Bücher kaufen wollte, darum haben wir sie zurückbekommen. Die Löffel waren längst verschwunden. Und die Gerritszoon-Patrizen – die waren auch verschwunden. Seitdem sind sie nicht mehr aufgetaucht.«
    »Komische Geschichte. Und?«
    »Ich möchte, dass du sie findest.«
    Ähm: »Im Ernst?«
    Deckle lächelt. »Ja, im Ernst. Mir ist klar, dass sie vielleicht irgendwo unter einer Müllkippe vergammeln. Aber möglich ist auch« – seine Augen glänzen –, »dass sie sich vor unser aller Augen verstecken.«
    Kleine Metallstückchen, die sich vor hundert Jahren in Luft auflösten. Vermutlich kann ich Penumbra leichter finden, indem ich von Tür zu Tür gehe.
    »Ich glaube, du schaffst das«, sagt Deckle. »Du scheinst mir sehr findig zu sein.«
    Noch mal: »Im Ernst?«
    »Schreib mir, wenn du sie gefunden hast. Festina lente .« Er lächelt, und der Feed schaltet sich aus.
    Okay, jetzt bin ich wütend. Ich habe erwartet, dass Deckle mir hilft. Stattdessen gibt er mir eine Hausaufgabe auf. Eine unmögliche Hausaufgabe.
    Aber: Du scheinst mir sehr findig zu sein . Das hat noch nie jemand zu mir gesagt. Ich denke darüber nach. Findig: das ist einer, der Hilfsquellen auftut. Wenn ich an Hilfsquellen denke, fällt mir sofort Neel ein. Vielleicht hat Deckle recht. Alles, was ich bisher getan habe, gelang nur deshalb, weil ich andere um einen Gefallen gebeten habe. Ich kenne tatsäch lich ein paar Leute mit besonderen Fähigkeiten, und ich weiß, wie man ihre Fähigkeiten koordiniert.
    Und findigerweise wird mir klar, welche Hilfsquelle mir jetzt nützlich sein kann.
    Um etwas Altes und Obskures aufzuspüren, etwas Seltsames und Bedeutendes, muss ich mich an Oliver Grone wenden.
    Als Penumbra verschwand und der Laden zumachte, zog Oliver so mühelos eine neue Stelle an Land, dass ich vermutete, er hatte sie schon eine Weile in der Hinterhand. Er arbeitet bei Pygmalion, einer der schnörkellosen, unabhängigen Buchhandlungen, die aus echter Überzeugung heraus gegründet worden sind. Sie wird von den Alumni der Bewegung für Meinungsfreiheit in der Engels Street drüben in Berkely betrieben. Oliver und ich sitzen jetzt im überfüllten Pygmalion-Café hinter der F OOD- P OLITICS -Abteilung. Olivers Beine sind zu lang für den kleinen Tisch, darum streckt er sie nach einer Seite hin aus. Ich knabbere an einem Milchgebäck mit Himbeeren und Sojabohnensprossen.
    Oliver scheint gern hier zu arbeiten. Pygmalion ist riesig: vollgepackt mit Büchern auf einer Fläche, die fast so lang ist wie ein ganzer Straßenblock, und überraschend gut organisiert. Knallige Farbblöcke an der Decke markieren die Abteilungen, und entsprechende Streifen verlaufen in dichten Mustern über dem Fußboden wie eine Schaltplatte in Regen bogenfarben. Als ich eintraf, schleppte Oliver gerade ein paar schwere Folianten zu den A NTHROPOLOGIE -Regalen. Vielleicht ist sein kräftiger Körperbau doch nicht der eines Linebackers; vielleicht ist er der eines Bibliothekars.
    »Und was ist eine Patrize?«, fragt Oliver. Seine Kenntnisse obskurer Objekte reichen nicht weit über das zwölfte Jahrhundert hinaus, aber das stört mich nicht.
    Ich erkläre ihm das System beweglicher, aus Blei gegossener Buchstaben, die man zu Zeilen zusammensetzt und dann damit einen Textblock bildet. Über viele Jahrhunderte wurden diese Lettern einzeln per Hand gegossen. Dafür benötigte man einen von Hand aus Stahl geschnittenen Stempel – die Patrize, die man in Messing schlug, um Matrizen davon herzustellen, mit denen man wiederum, indem sie mit Blei ausgegossen wurden, die einzelnen Lettern fertigte. Jeder Buchstabe hatte seine eigene Patrize.
    Oliver ist einen Augenblick still und wirkt abwesend. Dann sagt er: »Pass auf. Das solltest du wissen. Es gibt auf der Welt im Grunde zwei Arten von Gegenständen. Das klingt jetzt irgendwie

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