Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Gefühl, gerade etwas Wichtiges geleistet zu haben. Ich klappe meinen Laptop zu, schlurfe hinüber zu der Stelle, wo ich das Buch gefunden habe – M OFFATS Überreste auf dem Fußboden zeigen sie mir an –, und schiebe den schimmernden blauen Codex Vitae wieder an seinen Platz.
Ich klopfe einmal freundlich auf den Buchrücken und sage: »Schlafen Sie gut, Mr. Penumbra.«
Dann geht das Licht an.
Ich bin geblendet und geschockt, ich blinzle und bekomme panische Angst. Was ist da gerade passiert? Habe ich einen Alarm ausgelöst? Habe ich eine Falle für diebische Schurken aktiviert?
Ich zerre mein Handy aus der Hosentasche und fahre wie verrückt über den Bildschirm, erwecke es zum Leben. Es ist fast acht Uhr morgens. Wie kann das sein? Wie lange habe ich hier die Regale umrundet? Wie lange habe ich P ENVMBRA eingescannt?
Das Licht ist an, und jetzt höre ich eine Stimme.
Als ich ein kleiner Junge war, besaß ich einen Hamster. Er schien sich ständig vor absolut allem zu ängstigen, ewig zit ternd und ertappt dreinschauend. Das machte den Besitz die ses Hamsters so ziemlich total unerfreulich für die vollen achtzehn Monate, die ich ihn hatte.
Jetzt, zum ersten Mal im Leben, kann ich es Fluff McFly hundertprozentig nachfühlen. Mein Herz rast im Hamstertempo und ich werfe hektische Blicke in den Raum, suche nach einem Fluchtweg. Die hellen Lampen sind wie Gefängnishofscheinwerfer. Ich kann meine Hände sehen, und ich sehe den Haufen verbrannter Seiten zu meinen Füßen, und ich sehe den Tisch mit meinem Laptop und den skelettartigen Scanner, der darauf aufgebaut ist.
Ich kann außerdem die dunklen Umrisse einer Tür erkennen, direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes.
Ich sprinte zu meinem Laptop, sammle ihn ein, schnappe mir auch den Scanner – zerdrücke dabei die Pappe zwischen meinen Armen – und haste zu der Tür. Ich habe keine Ahnung, wozu sie da ist und wohin sie führt – zu den Bohnenkonserven? –, aber jetzt höre ich Stimmen, Plural.
Meine Hand umfasst die Klinke. Ich halte die Luft an – bitte, bitte, sei nicht zu – und drücke sie nach unten. Dem armen gepeinigten Fluff McFly war eine derartige Erleichterung, wie ich sie beim Nachgeben der Tür verspüre, nie vergönnt. Ich schlüpfe hindurch und mache sie hinter mir zu.
Auf der anderen Seite herrscht wieder Dunkelheit. Einen Moment stehe ich wie versteinert da, halte meine prekäre Fracht im Arm, den Rücken gegen die Tür gedrückt. Ich zwinge mich, flach zu atmen; ich beschwöre mein Hamsterherz, sich bitte, bitte zu beruhigen.
Hinter mir ist Bewegung; es werden Stimmen laut. Die Tür ist nicht in den Fels eingelassen; sie ähnelt eher einer dieser Toilettenkabinen, bei denen man das Gefühl hat, dass andere viel zu leicht hineinschielen können. Aber anderer seits kann ich so den Scanner absetzen und mich flach auf den kalten, glatten Boden legen, um durch den zentimetergroßen Spalt unter der Tür zu spähen:
Schwarzroben strömen in den Lesesaal. Ein Dutzend sind schon da, und weitere kommen gerade die Treppe herunter. Was geht hier vor? Hat Deckle vergessen, in den Kalender zu schauen? Hat er uns verraten? Findet heute die Jahresversammlung statt?
Ich richte mich wieder auf und mache, was ein Mensch in einer Notlage als Erstes tun sollte, ich schicke eine SMS . Aber Pech gehabt. Mein Handy blinkt: K EIN N ETZ , selbst wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle und es mit ausgestrecktem Arm gen Decke schwenke.
Ich muss mich verstecken. Ich werde mir einen stillen Winkel suchen, mich zu einer Kugel zusammenrollen und die nächste Nacht abwarten, bis ich mich wieder hinausschleichen kann. Es wird ein Versorgungs- und vielleicht ein Toilettenproblem geben … aber eins nach dem anderen. Meine Augen gewöhnen sich wieder an die Dunkelheit, und wenn ich mit meiner Stirnlampe in einem weiten Kreis leuchte, kann ich Umrisse dessen, was mich umgibt, erkennen. Es ist eine kleine Kamme r mit einer niedrigen Decke voller dunkler Formen, die alle miteinander verbunden sind und sich über lappen. Im trüben Licht sieht es hier ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film aus: Metallrippen mit scharfen Kanten und lange Rohre, die bis an die Decke gehen.
Ich bin immer noch dabei, mich vorzutasten, als ein leises Klicken von der Tür her ertönt, was mich wieder in Hamstermodus versetzt. Ich husche weg und verkrieche mich unter einer der dunklen Formen. Irgendetwas sticht mich in den Rücken und wackelt da, darum lange
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