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Die Sonnwendherrin

Titel: Die Sonnwendherrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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den seinen traf, errötete ich und sah weg, wobei ich sicherging, dass der Kontakt auch wirklich hergestellt war. Ich fühlte, wie er mich mit brennender Aufmerksamkeit musterte, und vor Erregung und Erwartung schlug mein Herz schneller. Er schien mir perfekt für die ihm zugedachte Rolle geeignet. Ich musste ihn nur dazu bringen, dass er sie auch bis zum Ende spielte.
    Ich verbannte Kornblumen und Stroh, Lächeln und Sonnenschein aus meinem Kopf und konzentrierte mich stattdessen auf die Positionen meiner künftigen Spielfiguren. Ich maß die Abstände, schätzte ab, wann die einzelnen Schauspieler jeweils die Bühne betreten sollten, und spürte, wie prickelnde Erregung in mir aufstieg. So musste sich ein Kämpfer fühlen, sobald das Schwert aus der Scheide in seine Hand springt. Es war eine Weile her, dass ich auf die Jagd nach einem Mann gegangen war, und ich genoss jeden Augenblick.
    Die Kerle an der Theke waren schon ziemlich betrunken, und das passte mir ins Konzept. Der Mann, den ich haben wollte, saß ein bisschen zu weit entfernt von ihnen, aber es kann nicht alles perfekt sein. So wählte ich einen Fleck zwischen der Theke und meinem zukünftigen Helden und bemühte mich schüchtern, die Aufmerksamkeit des Wirts zu erregen. Was ich natürlich stattdessen erregte, war die Aufmerksamkeit der Betrunkenen. Es lief alles wie geplant.
    Einer von ihnen, der wie ein riesiger Keiler wirkte, wandte mir sein rotes, aufgedunsenes Gesicht zu. Seine Augen waren so vom Bier getrübt, dass sie keinerlei Ausdruck mehr zeigten.
    »Wirt!«, brüllte er aus vollem Halse, denn in diesem Zustand galten ihm Höflichkeit und Anstand nichts mehr. Sein lautes Grölen machte ihn sofort zum Brennpunkt aller Blicke, und das war mehr, als ich erhofft hatte.
    |44| »Diese Schönheit hier braucht etwas zu trinken!«, brüllte er nun so laut, dass der Stuhl unter mir erbebte.
    Ich errötete und blickte unsicher drein. Dann wandte ich mich hilfesuchend um. Ich sah, wie mein Held in seiner Ecke aufmerksam zuschaute, und bemühte mich, ihn nicht zu bemerken.
    »Komm her, Dirne!«, fuhr der Betrunkene fort und winkte mir zu. Dabei stand er schwankend auf.
    Das wird nicht klappen,
dachte ich.
Er ist zu betrunken. Sie sind alle zu betrunken.
    Doch jetzt würde ich nicht aufgeben, nachdem ich mir wegen eines einfachen Dorfjungen solche Mühe gegeben hatte. Ich hob die Hände in gespielter Aufregung, versuchte ungeschickt, mich zurückzuziehen, und ließ dabei meinen Schal von den Schultern zu Boden gleiten. Als ich mich bückte, um ihn aufzuheben, enthüllte ich einen Augenblick lang meine Brüste unter den Blicken des groben Kerls, wobei ich ihn mit einer Hilflosigkeit ansah, die für diesen Typ Mann wie eine Einladung wirken musste.
    Das stachelte ihn nun richtig an. Er stolperte auf mich zu, wobei er gegen Tische und Stühle stieß, was seine Kumpane dazu brachte, ihn schallend auszulachen.
    Sein trunkener Zustand wurde mir zum Vorteil. Da er kaum noch geradeaus gehen konnte, stellte er keine echte Bedrohung dar, aber auf eine verängstigte Dorfschöne mochte er gefährlich genug wirken. Ich schlug eingeschüchtert die Hände vor die Brust, enthüllte durch diese eher symbolische Geste jedoch nur noch mehr. Dann trat ich zurück und stand ihm schließlich mit dem Rücken zur Wand vollständig hilflos gegenüber.
    Ich ließ mich von ihm begrapschen, denn nichts wirkt anregender auf Helden als eine Maid in Not, und diese Chance ließ ich mir nicht entgehen. Der Kerl riss an meinem Kleid, so dass Nähte platzten und durch die entstandenen Löcher |45| mein bloßer Körper sichtbar wurde. Er griff nach meinem Haar, zog an dem Kamm, mit dem ich es hochgesteckt hatte, und so fielen lange rötlichbraune Locken offen bis auf meine Hüften herab. Nur eines verhinderte ich: Er durfte keine Spuren, weder Kratzer noch blaue Flecken, an mir hinterlassen. Später musste ich perfekt aussehen!
    Ich hatte nicht geglaubt, dass der Mann, den ich für mich erwählt hatte, ein so guter Kämpfer sei. Er sprang wie der Blitz aus seiner Ecke und streckte meinen Angreifer mit einem einzigen Schlag zu Boden. Mindestens drei andere Kerle kamen nun ihrem Kumpan zu Hilfe, doch auch sie schlug er mit raschen, gezielten Hieben nieder, so fachmännisch, dass keiner von ihnen noch einen Laut von sich gab. Er überzeugte sich nicht einmal davon, dass sich keiner von ihnen mehr zu erheben vermochte, sondern wandte sich mir zu. Ich stand mit tränenüberströmtem Gesicht

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