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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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solche Hände und Finger effizient zu nutzen, mussten die Arten, die auf dem Weg zur Eusozialität vorankommen wollten, sie von der Mitwirkung an der Fortbewegung befreien, damit Gegenstände leicht und geschickt manipuliert werden konnten. Das schafften schon früh die ersten Prähominiden – schon als unser angenommener früher Urahn Ardipithecus von den Bäumen herabstieg, sich aufrichtete und ganz auf den Hinterbeinen zu gehen begann. Moderne Menschen sind Meister im Manipulieren von Gegenständen mit Händen und Fingern. Angeleitet werden wir dazu von einer extremen Ausprägung der kinästhetischen Wahrnehmung, in die zugunsten dieser Fähigkeit investiert wurde. Die Integrationsfähigkeit des Gehirns für Wahrnehmungen beim Umgang mit Gegenständen wirkt sich auf alle anderen Teilgebiete der Intelligenz aus.
    Der folgende Schritt – also die nächste richtig genommene Kehre im Labyrinth der Evolution – war der Übergang zu einer Ernährung mit hohem Fleischanteil, der von ausgeweideten Tierleichen bzw. von lebenden Tieren stammte, die gejagt und getötet wurden. Bei gleichem verzehrtem Gewicht setzt Fleisch mehr Energie frei als pflanzliche Nahrung. Und wenn die Ernährung von Fleisch sich erst per Evolution in einer Nische etabliert hat, ist zu ihrer Besetzung weniger Energie nötig.
    Dass sich Kooperation bei der Fleischgewinnung als Vorteil erwies, führte zur Bildung in hohem Maße organisierter Gruppen. Die frühesten Gesellschaften bestanden aus der weiteren Familie, aber auch aus Adoptivmitgliedern und Verbündeten. Sie wuchsen bis auf Populationsgrößen heran, die die lokale Umwelt gerade noch ernähren konnte. Starke Populationen waren bei Konflikten von Vorteil, zu denen es zwischen verschiedenen Gruppen unausweichlich kam. Dieser Schritt und die Vorteile, die daraus erwachsen, lassen sich nicht nur bei heutigen Menschen beobachten – und zwar bei Jägern und Sammlern genauso wie bei Stadtbewohnern –, sondern in gewissem Ausmaß auch bei Schimpansen.
    Vor etwa einer Million Jahren folgte der kontrollierte Einsatz des Feuers, eine ausschließlich hominide Leistung. Von Blitzschlägen entfachte Brandfackeln, die an andere Stellen transportiert wurden, verschafften unseren Vorfahren in jeder Hinsicht riesige Vorteile. Kontrolliertes Feuer verbesserte den Fleischertrag, weil mehr Tiere aufgescheucht und gefangen werden konnten. Ein laufendes Bodenfeuer entsprach dem, was heute eine Meute Jagdhunde erreicht. Tiere, die im Feuer umkamen, wurden häufig auch gleich gebraten. Und selbst in den frühesten Zeiten des karnivoren Homo hatte der Vorteil, dass Fleisch, Sehnen und Knochen leichter voneinander zu lösen und zu verzehren waren, beträchtliche Folgen. In der späteren Evolution entwickelten sich der Kauvorgang und die Verdauungsphysiologie in Richtung einer Spezialisierung auf gekochtes Fleisch und Gemüse. Kochen wurde ein allgemein menschliches Merkmal. Und mit dem Teilen gekochter Mahlzeiten ergab sich ein allgemeines Mittel zur Förderung des sozialen Zusammenhalts.
    Feuer, das sich von einem Ort an einen anderen transportieren ließ, war eine Ressource wie Fleisch, Früchte und Waffen. Äste und Reisigbündel können stundenlang schwelen. Zusammen mit dem Fleisch, dem Feuer und dem Kochen markierten Lagerstätten, die länger als nur ein paar Tage bestehen blieben und damit beständig genug waren, um als Rückzugsort bewacht zu werden, den nächsten zentralen Schritt. Ein solches Nest, wie man es auch nennen kann, war bei allen anderen bekannten Tieren die Vorstufe zur Herausbildung der Eusozialität. Fossile Lagerstätten und ihre Ausrüstung lassen sich bis zurück zum Homo erectus nachweisen, der Vorgängerart mit einem Hirnvolumen zwischen dem des Homo habilis und dem des modernen Homo sapiens.
    Mit den Lagerstätten rund um das Feuer kam die Arbeitsteilung. Sie hatte sich schon vorbereitet: Die Veranlagung, dass sich innerhalb von Gruppen aus Dominanzhierarchien Selbstorganisation ergibt, existierte bereits. Außerdem gab es schon zuvor Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen und zwischen Jungen und Alten. Zudem existierten in jeder Untergruppe noch verschieden ausgeprägte Führungsqualitäten, und Individuen neigten in unterschiedlichem Ausmaß dazu, an der Lagerstätte zu verbleiben. Als unvermeidliches Ergebnis entwickelte sich aus all diesen Präadaptionen schnell eine komplexe Arbeitsteilung.
    Mit Ausnahme des kontrollierten Feuereinsatzes waren zu Zeiten des Homo erectus

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