Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Tiere, die ihnen in den Weg kommen. Kolonnen dieser und anderer Heeresameisen sind auch die einzigen Insekten, die große Termiten-, Wespen- und sonstige Ameisenkolonien überwältigen und vertilgen können.
12.1 Die beiden Eroberer der Erde. Soziale Insekten beherrschen die Insektenwelt. Eine einzige Kolonie der afrikanischen Treiberameise, die oben auf einem Beutezug dargestellt ist, umfasst bis zu 20 Millionen Arbeiterinnen.
Die 20.000 bekannten Arten eusozialer Insekten, vorwiegend Ameisen, Bienen, Wespen und Termiten, machen nur etwa zwei Prozent der etwa eine Million Insektenarten aus. Dennoch dominiert diese winzige Minderheit den Rest der Insekten in Anzahl, Gewicht und in ihrem Einfluss auf die Umwelt. Was der Mensch für die Wirbeltiere ist, sind die eusozialen Insekten für die weitaus größere Welt der Wirbellosen. Auf der Ebene von Tieren, die größer sind als Mikroorganismen und Fadenwürmer, sind eusoziale Insekten die winzigen Herrscher über die Welt der Landbewohner.
Zu den häufigsten Insekten in den Kronen der tropischen Wälder Afrikas, Asiens und Australiens gehören die Weberameisen. Sie bilden mit ihren eigenen Körpern Ketten, um Blätter und Zweige zusammenzuziehen, aus denen sie die Wände ihres Nests bauen. Andere verspinnen Seide aus den Spinndrüsen ihrer Larven und befestigen damit die Wände. Danach bedecken sie die fußballgroßen Nester mit Seidenschichten. Eine einzige Kolonie von Weberameisen, bestehend aus der Königin-Mutter und Hunderttausenden ihrer Arbeiterinnen, besetzt Hunderte solcher schwebenden Pavillons und kann gleichzeitig mehrere Bäume dominieren.
12.2 An einer typischen Stelle im Amazonasgebiet wogen Ameisen nachweislich viermal mehr als alle Wirbeltiere (hier durch einen Jaguar dargestellt).
Von Louisiana bis Argentinien bauen riesige Kolonien der Blattschneiderameise, neben dem Menschen die komplexesten sozialen Lebewesen überhaupt, ganze Städte und betreiben sogar Landwirtschaft. Die Arbeiterinnen schneiden Stücke aus Blättern, Blüten und Zweigen, transportieren sie in die Nester und zerkauen das Material zu einem Mulch, den sie mit ihren eigenen Exkrementen düngen. Auf diesem nährstoffreichen Substrat züchten sie ihre Hauptnahrung, einen Pilz von einer Art, der sonst nirgends in der Natur vorkommt. Ihr Gartenbau ist wie eine Fließbandkolonne organisiert: Das Material wandert von einer spezialisierten Kaste zur nächsten, angefangen beim Schneiden der Rohvegetation bis hin zur Ernte und Verteilung des Pilzes.
12.3 Die Allgegenwart der Ameisen. Dargestellt ist hier die Vielfalt von kleinen Organismen aus einem Kubikfuß Boden und Laub auf einem Ast einer Würgefeige in Monteverde, Costa Rica. Acht von einhundert vorhandenen Lebewesen waren Ameisen (eingekreist).
An einer Stelle im Amazonas unterzogen sich zwei deutsche Forscher der ungeheuren Mühe, auf einem Hektar Regenwald alle Tiere zu wiegen. Sie stellten fest, dass Ameisen und Termiten gemeinsam beinahe zwei Drittel vom Gewicht aller Insekten ausmachten. Eusoziale Bienen und Wespen stellten ein weiteres Zehntel. Ameisen allein wogen viermal so viel wie alle landbewohnenden Wirbeltiere, also Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien, zusammen.[ 1 ] Andere Forscher stellten fest, dass zwei Drittel der Insekten in den oberen Kronen einer anderen Amazonas-Parzelle allein Ameisen waren.
Weltweit betrachtet, bilden Ameisen keine sehr dicke Schicht Biomasse. In den kälteren Nadelgehölzen auf der Nord- und der Südhalbkugel sind sie sehr viel seltener, und nördlich des Polarkreises und an den Baumgrenzen der tropischen Gebirge dünnen sie ganz aus. Auch auf Island, Grönland, den Falkland-Inseln sowie auf Südgeorgien und den anderen subantarktischen Inseln gibt es keine Ameisen. Vergeblich sucht man sie auch an den kalten Küsten von Feuerland. Andernorts aber gedeihen sie als dominante Insekten sämtlicher terrestrer Habitate, in Wüsten und dichten Wäldern sowie in den Randzonen der Landwelt im Marschland, in Mangrovenwäldern und auf den Stränden. Ich untersuche seit längerer Zeit drei wichtige arktische Arten oberhalb der Baumgrenze am Mount Washington (New Hampshire, USA), wo sie überall in großen Mengen leben. Ihre Nester liegen unter Steinen, um die Sonnenwärme einzufangen, und sie hasten eilig durch einen einzigen Zyklus der Larvenaufzucht, bevor im September die fallenden Temperaturen ihre Kolonien schon wieder stilllegen. Vergeblich habe ich bisher freilich oberhalb der
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