Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Baumgrenze im Saruwaged-Gebirge auf Neuguinea nach Ameisen gesucht. In diesen unwirtlichen Palmfarn-Savannen brechen Tag für Tag kalte Regengüsse ein und durchweichen jeden, der sich dort aufhält, ob Mensch oder Ameise.
Eusoziale Insekten sind fast unvorstellbar viel älter als der Mensch. Ameisen sowie ihre holzfressenden Gefährten, die Termiten, kamen etwa in der Mitte des Reptilienzeitalters auf, also vor über 120 Millionen Jahren. Die ersten Hominini mit organisierten Gesellschaften und einer altruistischen Arbeitsteilung unter gleichzeitig lebenden Verwandten und Verbündeten gab es allenfalls vor drei Millionen Jahren.
Um den Unterschied greifbar zu machen, stellen wir uns einen sehr entfernten Vorfahren der ersten Primaten vor, die einmal die Vorfahren des Menschen werden sollten: ein kleines Säugetier, das auf der Suche nach Dinosauriereiern durch einen Wald der frühen Kreidezeit huscht. Als es auf einen Nadel holzstamm klettert, bricht eines seiner Hinterbeine durch die Rinde ein. Darunter ist der Stamm schon teilweise hohl, das Kernholz haben Pilze, Käfer und eine Kolonie primitiver Termiten der Art Zootermopsis in zerbröckelnde Krümel zerlegt. Außerdem dient die Höhle einer Kolonie wespenartiger Sphecomyrma -Ameisen als Nest. Wie im Rausch schwärmen die Ameisenarbeiterinnen über das eingedrungene Säugetierbein aus, stechen in jeden Riss oder jede weiche Hautstelle, die sie finden können. Das Tier – unser Vorfahre – springt von dem Stamm herunter, schüttelt das Bein und kehrt die Angreifer mit den Klauen eines Fußes herunter. Wäre die Aushöhlung von einer solitären Wespe in der Größe einer Sphecomyrma -Ameise bewohnt gewesen, so hätte das Tier sie wohl kaum auch nur wahrgenommen.
12.4 Gefecht zwischen Ameisenkolonien. Kundschafter aus dem Nest (oben rechts), Pheidole dentata , haben eindringende Arbeiterinnen der Feuerameise Solenopsis invicta entdeckt und greifen sie an. Am erfolgreichsten kämpfen bei den Pheidole dentata Soldaten mit großem Kopf, die mit ihren kräftigen Mandibeln die Eindringlinge zerlegen.
Jetzt überspringen wir 100 Millionen Jahre bis heute. Sie, ein Nachkomme des angegriffenen Säugetiers, treten auf ein Stück Kiefernholz, den morschen Stamm eines Nadelbaums, Abkömmling des kreidezeitlichen Baumes. Nachkommen der kreidezeitlichen Termitenkolonie krabbeln in eine dunkle Spalte, die zu ihrer Höhle gehört, wie ihre ganz ähnlichen Vorfahren im Erdmittelalter. Die Nachfahren der alten Ameisenkolonie schwärmen aus – ebenfalls wie ihre Vorgänger im Mesozoikum. Gemeinsam repräsentieren wir die beiden großen Hegemonien der landbewohnenden Welt. Der Unterschied ist nur, dass Termiten und Ameisen sie 100 Millionen Jahre für sich allein hatten und ungestört waren, bis wir schließlich ebenfalls die Ebene der Euso zialität erreicht hatten.
12.5 Nester einer Kolonie der hügelbauenden Termiten der afrikanischen Gattung Macrotermes im Querschnitt. Das oben dargestellte Nest maß im Durchmesser 30 Meter. Das untere Nest weist die Architektur auf, die als Klimaanlage wirkt: Im Zentrum wird die Luft durch den Stoffwechsel der Termiten erwärmt, steigt also auf und dringt durch die oberen Hügelausgänge nach außen, während durch unterirdische Kanäle rund um das Nest Frischluft angesaugt wird. Der beständige Luftzug hält die Temperatur sowie die Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte für die bis zu eine Million Termiten im Nest praktisch stabil.
Die ersten Ameisen entwickelten sich aus geflügelten Solitärwespen. Die Arbeiterinnen der ersten Kolonien spezialisierten sich allmählich darauf, auf und unter Erde und Bodenstreu zu kriechen und von da aus aufwärts in die lebendige Vegetation.
12.6 Das Fließband der Blattschneiderameisen, der dominanten Insekten der amerikanischen Tropen, stellt das komplexeste Sozialverhalten aller bekannten Tierarten dar. 1. Große Media-Arbeiterinnen finden frische Blätter, schneiden davon Stücke ab und transportieren sie ins Nest; sie werden von winzigen Minima-Arbeiterinnen begleitet, die sie vor parasitischen Fliegen schützen. 2. Im Nest schneiden kleinere Arbeiterinnen die Blattstücke in 1 mm große Fragmente. 3. Wieder kleinere Media-Arbeiterinnen zerkauen die Fragmente zu einem Brei. 4. und 5. Minima bringen diesen Brei in den Garten ein oder pflegen die dort wachsenden Pilzfäden (6).
Diese Arbeiterinnen hatten keine Flügel mehr. Die jungfräulichen Königinnen flogen weiterhin, jede allerdings
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