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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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hinzu: »Net tes , kleines Ding.«
    »Ja, wir kennen das Mädchen.«
    Der Beamte zog ein weiteres Foto aus der Mappe, kleiner als das erste.
    »War sie mit diesem Mann zusammen?«
    Diesmal wirkte das Foto erheblich offizieller. Eins von diesen Fotos, die sie in den Polizeiserien im Fernsehen aus den Akten ziehen. Oder sich heutzutage auf den Bildschirm laden. Es zeigte das Gesicht eines Mannes vor leerem Hintergrund.
    »Das ist er, aber er ist jetzt älter.«
    Mrs Abraham versuchte, sich zu erinnern. An dem Tag war ihr noch etwas anderes aufgefallen – aber was nur?
    »Ach, an dem Tag im Garten hatte er einen Arm in Gips, in einer Schlinge.«
    »Danke, Mrs Abraham, das war sehr hilfreich.«
    Sie betrachtete noch immer das Foto und gab es nur zögernd zurück.
    »Woher haben Sie das?«
    »Ach, darauf sind wir durch Zufall gestoßen. Wir warenbei einem Mann wegen eines Hundes, und da lag es.«
    Mrs Abraham musste über eine plötzliche Erinnerung lächeln. »Das hat mein Vater auch immer gesagt, wenn er nichts verraten wollte. Ich verstehe schon – Polizisten müssen ihre Geheimnisse hüten.«
    »Nicht nur Polizisten, Mrs Abraham.«
    Das sagte er ohne besondere Betonung, doch da sie von den Polaroids wusste, verlieh das dem Satz die Kraft einer Anschuldigung, die sie von sich weisen musste.
    »Wie wahr, wie wahr.«
    Cummings stand auf. »Sagen Sie Mr Cage, er möchte sich bei uns melden, wenn er zurück ist. Und bitte übermitteln Sie ihm unser Beileid.«

35.
    Henry war überrascht, wie leicht es gewesen war, eine konfessionslose Beisetzung zu organisieren. In England, da war er sich sicher, hätte es gesellschaftlichen Druck gegeben, auch ein paar Gebete zu sprechen, doch hier waren die Beschränkungen diesseitiger. An der Tür zum Krematorium hing ein Schild, auf dem die Besucher lediglich gebeten wurden, nicht in kurzen Hosen oder T-Shirts zu erscheinen.
    Der Bestattungsunternehmer hatte die Trauerfeierlichkeiten geleitet. Henry, Jane und Tom hatten etwas gelesen. Jack hatte nichts lesen wollen, sich dafür aber um die Musik gekümmert. Im Hospiz hatte er mit Nessa die Stücke und deren Reihenfolge ausgesucht.
    Alles in allem hatte es sich bei der Trauerfeier um ein Konzert mit Lesung gehandelt. Für die Überführung des Sarges hatte Nessa
Waltz for Debby
von Bill Evans ausgesucht. Henry hatte ein Kichern unterdrücken müssen, was ihm aber nicht ganz gelang: Nessas Cousine aus Baltimorehatte es bemerkt und würde ihn nun für den Rest ihrer Tage für einen herzlosen Mistkerl halten.
    Das Testament, am nächsten Tag eröffnet, war kurz und bündig gewesen.
    Nessa hatte das Haus mit allem Inventar Tom vermacht, verbunden mit der Hoffnung, dass Jane und er es weiterhin als Ferienhaus benutzten. Sie hatte einen Fonds eingerichtet, der für den Unterhalt des Hauses aufkommen sollte, und einen weiteren für die Ausbildung ihrer Enkelkinder. Sie vertraute darauf, dass Hal schon bald Gesellschaft bekommen würde. Ihren Schmuck hatte sie Jane vermacht.
    Dem »lieben Jack, meinem Freund und Fürsorger«, hatte sie fünfzigtausend Dollar hinterlassen, die einzig und allein für die Pflege, den Schutz und den eventuellen Ersatz seines Impala bestimmt waren.
    Henry erhielt all ihre Briefe, Tagebücher, Skripte, Tonbänder, Gartenbücher und Fotoalben. Nessa hatte sie in drei alten Überseekoffern ihrer Mutter verstaut.
    Nach Toms und Janes Rückkehr nach England verbrachte Henry die meiste Zeit in Nessas Haus. Die Koffer standen im Arbeitszimmer. Tagelang schlich er um sie herum, so nervös war er, was er wohl darin finden würde. Einige ihrer Tagebücher würden sicher schmerzlich sein, nahm er an, und er wusste, es gab Fotos nicht nur von ihrem gemeinsamen Leben, sondern auch von dem Leben, das er nicht gewollt hatte: Fotos von dem kleinen Hal, von Toms und Janes Hochzeit, von Nessa in den Sommergärten Norfolks. Eine Woche nach der Einäscherung warendie Koffer noch immer verschlossen; Henry entschied, sie auf die White Horse Farm nach Norfolk schicken zu lassen. Er würde Jack bitten, für den Transport zu sorgen.
    Als Henry sich an jenem Abend auszog, bemerkte er einen roten Ausschlag auf Hals, Brust und Armen. Am Morgen hatten sich die roten Flecken über den ganzen Körper ausgebreitet, sogar auf Augenlidern und Penis. Er rief an der Rezeption an und bat um einen Arzttermin. Das Hotel bot Hausbesuche an. Die Ärzte hatten ihre Praxis in Miami; der Hausbesuch würde vierhundertfünfzig Dollar kosten. Der

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